Erhebung im Auftrag des IQWiG

Verkürzte Antibiotikatherapie: Top bei Lunge, Flop bei Ohr

, Uhr
Berlin -

„Führt eine verkürzte Einnahmedauer zu vergleichbaren Behandlungsergebnissen?“ Diese Frage haben sich Forschende aus Freiburg und Tirol im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gestellt. Ihre Analyse zeigt: Bei Kindern mit Lungenentzündung ist eine dreitägige Amoxicillin-Therapie genauso wirksam wie längere Behandlungsdauern und sogar besser verträglich. Bei Mittelohrentzündungen hingegen liefern verkürzte Therapien schlechtere Ergebnisse.

Die aktuelle S2k-Leitlinie „Ambulant erworbene Pneumonie bei Kindern und Jugendlichen“ (2024) empfiehlt derzeit bei milden Krankheitsverläufen eine Fünf-Tages-Therapie mit Amoxicillin, dosiert mit fünfzig Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht täglich. Die entsprechende Leitlinie bei akuter Mittelohrentzündung aus dem Jahr 2020 empfiehlt ebenfalls Amoxicillin, jedoch mit fünfzig bis siebzig Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht täglich. Die Behandlung dauert zehn Tage für Kinder unter zwei Jahren, sieben Tage für Kinder von zwei bis sechs Jahren und fünf bis sieben Tage für ältere Kinder.

Ob das noch zeitgemäß und zielführend ist – oder ob auch kürzere Therapien ausreichend sind – war die Fragestellung einer Studie, die durch das IQWiG initiiert wurde. Dabei wurden 19 randomisierte Studien ausgewertet: zwölf Studien zu AOM mit 3409 Kindern und sieben Studien zu pCAP mit 8590 Kindern. Der vorläufige Bericht dazu wurde am 13. Januar 2025 veröffentlicht.

Kurztherapie bei Lungenentzündung: Top

Für die ambulant erworbene Pneumonie (pCAP) zeigten die sieben ausgewerteten Studien, dass eine dreitägige Therapie mit Amoxicillin hinsichtlich des Therapieerfolgs nicht unterlegen war gegenüber längeren Therapien von fünf bis zehn Tagen. Auch eine Fünf-Tages-Therapie war der zehn-Tägigen gegenüber gleichwertig. Insbesondere im Vergleich der Drei- und Fünf-Tages-Therapien traten deutlich weniger Nebenwirkungen auf. Allerdings konnten bei anderen Endpunkten wie dem Wiederauftreten der Infektion oder der Mortalität keine signifikanten Vorteile kürzerer Therapien festgestellt werden.

Erschwerend in der Bewertung war für die Forschenden das Fehlen von Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Auch Studien zu anderen, bei pCAP häufig eingesetzten Antibiotika wie Amoxicillin-Clavulansäure fehlen; es wurden ausschließlich Amoxicillin und andere Antibiotika wie Cephalosporine und Penicillin V untersucht. Ebenfalls ging keine der untersuchten Studien auf die Behandlung von Erwachsenen oder älteren Kindern mit kürzeren Therapiedauern ein.

Kurztherapie bei Mittelohrentzündung: Flop

Für die akute Mittelohrentzündung (AOM) zeigten die Studien, dass kürzere Behandlungsdauern von zwei bis fünf Tagen im Vergleich zu längeren Therapien von sieben bis zehn Tagen schlechtere Therapieergebnisse lieferten. In keiner der Studien war eine kürzere Therapie entweder überlegen oder gleichwertig. Insbesondere der Endpunkt Therapieerfolg, der in neun Studien untersucht wurde, zeigte, dass kürzere Therapien weniger erfolgreich waren. Auch bei anderen Endpunkten wie dem Wiederauftreten der Infektion und der Mortalität konnten keine Vorteile kürzerer Behandlungen festgestellt werden. Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität und zu häufig eingesetzten Antibiotika wie Amoxicillin-Clavulansäure fehlen.

Vorteile kürzerer Therapien

In zwei weiteren Studien konnte für beide Krankheitsbilder nachgewiesen werden, dass kürzere Therapien die Adhärenz der Patienten verbessern könnten. Dabei ist ein weiterer Vorteil kürzerer Therapien eine potenzielle Senkung der Behandlungskosten. Diese könnte durch den reduzierten Medikamentenverbrauch um rund fünfunddreißig Euro pro Patient sinken. Diese Einsparungen sind natürlich nur möglich, wenn die verkürzte Therapie tatsächlich genauso wirksam ist, wie die längere Behandlung, da in der Folge sonst weitere Kosten durch zusätzliche Arztbesuche entstehen.

Kürzere Antibiotikatherapien bringen auch Umweltvorteile mit sich; weniger CO₂-Emissionen und weniger Umweltbelastungen durch Arzneimittelrückstände. Das trifft natürlich nur zu, wenn auch kleinere Nenngrößen für die kürzeren Behandlungszeiträume zur Verfügung stehen.

Ethisch und sozial betrachtet ist eine verkürzte Antibiotikatherapie vertretbar, solange die medizinische Wirksamkeit gewährleistet bleibt. Zwar belegt die Studienauswertung, dass kürzere Therapien in der Behandlung von pCAP vielversprechend sind, während bei AOM längere Behandlungsdauern von sieben bis zehn Tagen überlegen bleiben. Dennoch erkennen die Wissenschaftler:innen weiteren Forschungsbedarf, insbesondere in Bezug auf weitere antibiotische Wirkstoffe wie Amoxicillin-Clavulansäure. Auch sind Studien zu weiteren Altersgruppen, insbesondere Jugendlichen und Erwachsenen, wissenschaftlich von gesteigertem Interesse.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Mit Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnungen
Medizinisches Cannabis: Vorabgenehmigung entfallen
Mehr aus Ressort
Ältere Menschen nicht informiert
Umfrage zeigt: Mehrheit unterschätzt RSV-Risiken
Übertragungsrisiko minimieren
Polio: Wer sollte wann geimpft werden?

APOTHEKE ADHOC Debatte