Leibniz-Wirkstoff 2017

Studie: Pilztoxin durchlöchert Zellmembran

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Berlin -

Mykosen können lokal oder systemisch auftreten und werden häufig mit dem Hefepilz Candida albicans in Verbindung gebracht. Der Pathomechanismus ist im Einzelnen nicht eindeutig geklärt. Deutsche Wissenschaftler konnten in Zusammenarbeit mit britischen und US-Kollegen zeigen, dass ein bestimmtes Toxin zur pathogenen Wirkung des Pilzes beiträgt. Für die Entdeckung wurden die Forscher mit dem „Leibniz-Wirkstoff des Jahres 2017“ ausgezeichnet. Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht.

Jahrzehntelang war es Wissenschaftlern nicht möglich, die Moleküle zu detektieren, die für die Gewebeschädigung und den Verlauf einer Pilzinfektion verantwortlich sind. Die Forschungsergebnisse geben nun Hinweise auf die Krankheitsmechanismen. Das neu entdeckte Toxin trägt den Namen „Candidalysin“ und ist chemisch betrachtet ein Peptid, das die Membran der Wirtszelle durchlöchert und so zu ihrer Auflösung führt.

Professor Dr. Bernhard Hube vom Hans-Knöll-Institut (HKI), Professor Dr. Thomas Gutsmann vom Forschungszentrum Borstel sowie Dr. Duncan Wilson und Dr. Selene Mogavero wurden dafür vom Leibniz-Forschungsverbund „Wirkstoffe und Biotechnologie“ ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich anlässlich der Leibniz-Wirkstofftage für wichtige Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet von bioaktiven Substanzen verliehen.

Der Grund, warum die Mikrobiologen Candidalysin erst nach Jahrzehnten intensiver Suche entdeckten, ist ein „Trick des Pilzerregers“. Candida albicans bilde zunächst ein größeres Molekül, ein Polyprotein, welches erst durch ein Enzym in mehrere Teile aufgespalten werde. Erst unter diesen Bausteinen finde sich dann die pathogene Substanz. Der Erreger könne so bei Bedarf aus einer harmlosen Vorstufe ein gewebeschädigendes Molekül generieren.

Die Forscher analysierten die molekularchemische Beziehung zwischen Pilz und Wirt. Das Team von Hube konnte dabei erstmals zeigen, dass die entdeckte Proteinstruktur eine Schädigung in der Wirtszelle hervorruft. Gutsmann und seine Kollegen untersuchten die Wirkung des Toxins auf die Zellmembran.

Laut HKI lassen sich mit der Entdeckung des Pilzgifts möglicherweise zukünftige Therapieansätze ableiten. Die Forscher untersuchen nun die Wechselbeziehung zwischen Gift und Immunsystem auf molekularer Ebene. Analysiert werden soll auch die Rolle anderer genetischer Komponenten bei einer Pilzinfektion. Nicht zuletzt ist für die Wissenschaftler interessant, ob Candidalysin auch auf Bakterien wirkt oder ob es einen Austausch zwischen dem Gift und Bakterien in gemeinsamen Lebensräumen wie dem menschlichen Darm gibt.

Candida albicans ist bei Gesunden weit verbreitet und besiedelt häufig asymptomatisch Haut und Schleimhäute. Der Erreger ist beispielsweise im Magendarmtrakt, Rachen und der Vagina nachweisbar. Unter Umständen kann der fakultativ pathogene Keim zu oberflächlichen Infektionen führen, besonders betroffen sind dabei abwehrschwache Patienten. Bei schwerer Immunschwäche kann der Pilz eine systemische Infektion hervorrufen und sogar lebensgefährlich sein. Außerdem können Candidamykosen auch durch den Einsatz von Arzneimitteln begünstigt werden, dazu gehören zum Beispiel orale Kontrazeptiva, Antibiotika sowie Glucocorticoide.

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