Analoginsuline

Lantus unter Krebsverdacht

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Um die Sicherheit von Analoginsulinen ist eine heftige Diskussion entbrannt: Das langwirksame Insulin Glargin - unter dem Handelsnamen Lantus von Sanofi-Aventis auf dem Markt - steht in Verdacht, das Krebsrisiko zu erhöhen. Insgesamt vier Studien wurden in dem Fachjournal „Diabetologia“ Ende vergangener Woche online vorab veröffentlicht.

In zwei der Studien zeigte Insulin Glargin im Vergleich zu anderen Insulinen - darunter Humaninsulin, Insulin Lispro und Insulin Aspart - ein erhöhtes Risiko, Krebszelllinien zum Wachsen anzuregen. Die kurzwirksamen Insuline Lispro und Aspart sowie Humaninsulin stehen dagegen nicht unter Verdacht. In die retrospektiven Untersuchungen wurden rund 300.000 Typ 2- Diabetiker aus vier verschiedenen Ländern eingeschlossen.

Die erste Studie wurde in Deutschland durchgeführt: Zusammen mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) wertete das Institut für Qualität und Sicherheit im Gesundheitswesen (IQWiG) Daten von rund 127.000 AOK-Versicherten aus den Jahren 2001 bis 2005 aus. Das Ergebnis: Bei einer vergleichbaren Dosis Humaninsulin erkrankten innerhalb von eineinhalb Jahren von 1000 mit Insulin Glargin behandelten Diabetikern etwa 41 an Krebs.

Mit steigender Dosis erhöhen sich auch die Krebsdiagnosen, so das IQWiG: Während bei einer täglichen Verabreichung von zehn internationalen Einheiten (I.E.) Lantus etwa vier Krebserkrankungen pro 1000 Patienten mehr auftraten, waren es bei 50 I.E. pro Tag bereits 13 neue Diagnosen.

„Unsere Auswertung ist zwar kein eindeutiger Beweis, dass Glargin Krebs fördert“, so der Leiter des IQWiG, Professor Dr. Peter T. Sawicki. Der Verdacht sei allerdings dringend. Das IQWiG betont, dass der gefundene Zusammenhang eine so genannte „statistische Assoziaton“ ist. Nicht nur das Insulin, sondern auch weitere Faktoren könnten das Ergebnis beeinflusst haben. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft DDG weist darauf hin, dass Typ 2-Diabetiker beispielsweise durch Übergewicht und Bewegungsmangel generell ein erhöhtes Risiko haben, an bestimmten Krebsarten zu erkranken.

Um die Daten der deutschen Studie abzusichern, beschloss die Europäische Diabetes Gesellschaft EADS weitere Studien in Schweden, Schottland und Großbritannien durchzuführen. Doch das Risiko bestätigte sich nur bei den schwedischen Diabetikern: Im Vergleich zu anderen Insulinen verdoppelte Lantus bei weiblichen Patienten das Risiko, einen Brustkrebs zu entwickeln. Die schottische Studie zeigte eine nicht signifikante Erhöhung des Brustkrebsrisikos, in der britischen Untersuchung konnte gar kein Zusammenhang zwischen dem Insulin und einer Krebsentstehung festgestellt werden.

Der Hersteller Sanofi-Aventis betont in einer Stellungnahme die Überlegenheit von Insulin Glargin im Vergleich zu Humaninsulin und verweist auf eine Sicherheitsstudie, die in Juni 2009 ebenfalls in der Zeitschrift „Diabetologia“ erschienen ist. Danach seien innerhalb von fünf Jahren bösartige Zellveränderungen unter Glargin geringer gewesen als unter Humaninsulin.

Sowohl EADS als DDG fordern in Stellungnahmen zu den Veröffentlichungen dringend, neue Studien durchzuführen, „um einen möglichen Zusammenhang zwischen langwirksamen Analoginsulinen und einer Krebsentstehung aufzuklären“. Die Experten raten Patienten aber, die vom Arzt verordnete Therapie weiterhin einzubehalten. Dagegen spricht sich das arznei-telegramm für eine Marktrücknahme von Lantus als „einzig logische Konsequenz“ aus.

Lantus ist in Deutschland seit dem Jahr 2000 im Handel. Mit mehr als 1,5 Millionen abgegebenen Packungen pro Jahr ist es nach Angaben des arznei-telegramms das meistverordnete Insulin. Nach Lovenox und Plavix war Lantus das drittumsatzstärkste Präparat von Sanofi-Aventis im vergangenen Jahr. In diesem Jahr soll das Arzneimittel laut Spiegel online mehr als drei Milliarden Euro einbringen.

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