Antikörper gegen Blutgerinnungsfaktor

Hämophilie A: Immunreaktionen identifiziert

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Berlin -

Bei der Hämophilie A handelt es sich um eine Form der sogenannten „Bluterkrankheit“, bei der der Blutgerinnungsfaktor VIII (FVIII) fehlt oder fehlerhaft gebildet wird. Daher muss er regelmäßig substituiert werden. In manchen Fällen entwickeln die Betroffenen jedoch Antikörper gegen den Gerinnungsfaktor. Ein Team des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hat nun einige zugrundeliegende Immunreaktionen identifiziert.

Die Hämophilie A ist die häufigste Form der Hämophilie. Betroffen sind vor allem Jungen und junge Männer. Diese sind dann auf regelmäßige Injektionen des fehlenden Gerinnungsfaktors angewiesen, damit eine normale Blutstillung ermöglicht wird. Das FVIII wird entweder aus Spenderplasma oder gentechnisch hergestellten Substitutionstherapien zugeführt. Mittlerweile kommt auch eine Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Emicizumab in Frage.

Komplikationen durch Antikörper

Rund ein Drittel der Betroffenen entwickelt jedoch Antikörper gegen FVIII, was die Behandlung erschwert. Das PEI hat nun herausgefunden, dass Komplement-Proteine des Immunsystems die Reaktionen von T-Zellen auf FVIII stark beeinflussen und an der Inhibitorbildung beteiligt sein können.

„Die Bildung von Antikörpern gegen Gerinnungsfaktor VIII, die meist als Inhibitoren bezeichnet werden, ist eine gefürchtete Komplikation bei der Substitutionstherapie von Hämophilie-A-Patienten. Wir haben jetzt herausgefunden, dass für die Bildung dieser Inhibitoren Komplement-Proteine, die zum angeborenen Immunsystem gehören, im Zusammenspiel mit sogenannten Gefahrensignalen eine wichtige Rolle spielen“, erklärt Professorin Zoe Waibler, Leiterin des Fachgebiets Produktprüfung immunologischer Arzneimittel und stellvertretende Leiterin der Abteilung Immunologie des Paul-Ehrlich-Instituts. Gefahrensignale seien beispielsweise Moleküle, die dem Körper als Hinweis auf eine Infektion dienen. Die Hoffnung: Mit dem neuen Wissen lassen sich möglicherweise Ansätze entwickeln, um das Behandlungsrisiko der Inhibitorbildung bei Hämophilie-A-Patient:innen zu senken.

Ein Blick auf die Immunologie

Vollständig geklärt sind die zugrundeliegendenden immunologischen Prozesse noch nicht abschließend. Allerdings vermuten die Expert:innen, dass zum Beispiel Moleküle, die typischerweise auf der Oberfläche von Bakterien vorkommen – sogenannte „Lipopolysaccharide“ (LPS) – oder bestimmte Eiweiße beziehungsweise Botenstoffe, die der Körper während einer Operation ausschüttet, eine Rolle spielen. Das Team des PEI konnte bereits in früheren Studien zeigen, dass aus Plasma gewonnenes FVIII-, nicht aber rekombinantes FVIII-Protein in Gegenwart solcher Gefahrensignale des Immunsystems die dendritischen Zellen aktivieren kann, die anschließend die Bildung spezifischer T-Zellen vermitteln können.

In der aktuellen Studie konnte dargelegt werden, dass die Zugabe von Plasma zu rekombinantem FVIII und Lipopolysaccharid-stimulierten Immunzellen, das Heranreifen von gegen FVIII gerichtete T-Zellen induziert. In weiteren Experimenten wies die Forschungsgruppe nach, dass die Komplementproteine C3a und in geringerem Maße C5a entscheidend an diesen LPS-vermittelten T-Zell-Reaktionen beteiligt sind. „Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Komplementproteine die T-Zell-Reaktionen auf FVIII stark beeinflussen und könnten erklären, warum die Gabe von FVIII in bestimmten Situationen wie beispielsweise bei Infekten zur Entwicklung von Inhibitoren beitragen könnte“, so das Fazit.

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