Der Wunsch nach schneller Gewichtsreduktion treibt viele Menschen zu Crash-Diäten, bei denen immer häufiger auch „Abnehmspritzen“ eingesetzt werden. Doch dieser Weg kann gefährlich sein. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) warnt eindringlich vor den Folgen unbehandelter Sarkopenie – dem krankhaften Muskelabbau – bei Menschen mit Adipositas.
„Viele Menschen unterschätzen, dass bei raschem Gewichtsverlust durch falsche Ernährung nicht nur Fett, sondern auch Muskelmasse verloren geht“, erklärt Dr. Gert Bischoff, Präsident der DGEM und Leitender Arzt am Zentrum für Ernährungsmedizin und Prävention (ZEP) in München. Besonders gefährlich sei dies bei der Therapie mit Inkretin-Analoga wie Semaglutid oder Tirzepatid, wenn gleichzeitig auf eine eiweißreiche Ernährung und regelmäßige Bewegung verzichtet werde.
Die Medikamente, ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, werden immer häufiger auch zur Gewichtsreduktion eingesetzt. Sie wirken, indem sie das Sättigungsgefühl steigern und die Magenentleerung verlangsamen – was zu einer geringeren Nahrungsaufnahme führt. Aber: Ohne begleitende Maßnahmen kann diese Gewichtsabnahme auf Kosten der Muskulatur gehen.
„Wer bei der Adipositastherapie nur auf Gewichtsreduktion schaut, riskiert schwerwiegende Nebenwirkungen. Eine begleitende ernährungsmedizinische Betreuung ist deshalb zwingend erforderlich. Inkretin-Analoga sind sogar ausschließlich in Kombination mit einer Ernährungs- und Bewegungstherapie zugelassen“, betont Professor Dr. Diana Rubin, Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin am Vivantes Klinikum Berlin und Mitglied im Ausschuss Adipositas der DGEM.
Mehr noch: „Nur wenn Patient:innen gezielt unterstützt werden, lässt sich der Verlust von Muskelmasse sowie ein Mangel an Mikronährstoffen vermeiden und die Therapie sicher gestalten.“
Eine gute Ernährungstherapie bei Adipositas zielt nicht nur auf Kalorienreduktion ab. Sie stellt sicher, dass trotz verringerter Energiezufuhr eine ausreichende Versorgung mit Eiweiß und Mikronährstoffen gewährleistet ist. Im Mittelpunkt stehen der Erhalt der Muskelmasse, die Förderung eines langfristig gesunden Essverhaltens und eine individuelle Anpassung an die Lebensumstände der Betroffenen.
So spielt vor allem die Bewegungstherapie eine zentrale Rolle. Denn sie stärkt nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit, sondern schützt auch gezielt vor Muskelabbau.
Durchgeführt wird eine qualifizierte Ernährungstherapie von speziell geschulten Fachkräften – darunter Ernährungsmediziner:innen, Diätassistent:innen und Ökotropholog:innen. Ärztinnen und Ärzte ohne ernährungsmedizinische Zusatzqualifikation können ihre Patientinnen und Patienten mit einer Notwendigkeitsbescheinigung an diese Fachkräfte überweisen.
„Adipositas ist eine komplexe chronische Erkrankung“, so Bischoff. „Sie kann nicht allein medikamentös behandelt werden. Eine fundierte, interdisziplinäre Betreuung ist unverzichtbar.“
APOTHEKE ADHOC Debatte