Arzneimittelmissbrauch

Dextromethorphan: Das neue Tilidin?

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Berlin -

Die Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit dem Antitussivum Dextromethorphan (DMP) haben in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Die Käufer sind meist junge Männer, zugelassen ist DMP in Kapselform für Jugendliche ab 12 Jahren. Aktuell bittet die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) das pharmazeutische Personal um besondere Aufmerksamkeit bei der Abgabe. Wie geht man richtig mit einem Missbrauchsfall um? Jetzt im LABOR austauschen!

Laut AMK wurde der Wirkstoff in den vergangenen sechs Jahren am häufigsten mit dem Verdacht auf Missbrauch gemeldet. Ein Drittel aller Meldungen in diesem Zeitraum waren Abusus-Berichte. Ein Drittel aller Kunden waren keine 18 Jahre alt. Verlangt ein Kunde in auffälliger Weise nach einem zentralwirksamen Antitussivum, sollten Apotheker und PTA aufmerksam werden.

Doch wie erkennt man einen Missbrauch?

Verdachtshinweise auf einen kritischen Arzneimittelgebrauch oder einen Missbrauch kann das pharmazeutische Personal unter anderem aus den folgenden Aspekten ziehen:

  • Der Kunde kommt häufig in die Apotheke und fragt nach expliziten Produkten
  • Die gewünschte Packungsanzahl ist größer 1
  • Ausreden wie „verlorene Rezepte“ oder „akute Notlage“ werden genutzt
  • Der Kunde wird bei Abgabeverweigerung aggressiv und droht Folgen an
  • Das Rezept scheint gefälscht
  • Häufig liegen Hinweise auf wohntortferne Beschaffung vor
  • Die Verordnung ist ein Privatrezept
  • Manipulation von Arzneimitteln (Beschwerden wegen Wirkungslosigkeit)

Rauschzustände mit DMP ähneln denen von LSD und Ketamin. In geringen Dosierungen (bis zu 200 mg) macht der Arzneistoff leicht euphorisch. Bei mittleren Dosierungen (ab etwa 400 mg) kann eine stärkere Euphorie erreicht werden, die vom Anwender sehr intensiv mit Halluzinationen erlebt werden kann. Ist die Grundstimmung während des Konsums schlecht, so kann es auch zu einem „Horrortrip“ kommen. Bei sehr hohen Dosierungen (ab 600 mg) berichten Konsumenten häufig von außerkörperlichen Erfahrungen und vorübergehenden Psychosen.

Eine regelmäßige Einnahme kann zur Suchterkrankung führen und wie jede psychotrope Substanz kann auch DMP eine substanzinduzierte Psychose auslösen. Werden Kombipräparate zum Erreichen einer euphorisierenden Wirkung eingenommen, so ist mit schweren Nebenwirkungen zu rechnen. Bei Kombinationspräparaten mit Paracetamol kann schnell die letale Dosis erreicht werden. Von einem Mischkonsum, also vom gleichzeitigen Gebrauch anderer psychoaktiver Substanzen (Benzodiazepine, Amphetamine, Opiate), wird abgeraten.

Doch ab wann spricht man von einem Missbrauch?

Hinweise auf eine Substanzgebrauchsstörung ist gegeben, wenn mehrere der folgenden Punkte zutreffen:

  • Wichtige Verpflichtungen (Arbeit, Schule) werden vernachlässigt
  • Konsum in Situationen, in denen es zu einer körperlichen Gefährdung kommt
  • Wiederholter Konsum trotz sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme
  • Toleranzentwicklung
  • Entzugssymptome
  • Substanzkonsum, um Entzugssymptome zu vermeiden
  • Kontrollverlust
  • Anhaltender Kontrollwunsch oder erfolglose Versuche der Kontrolle
  • Hoher Zeitaufwand (Beschaffung, Konsum, Rekovaleszenz)
  • Aufgabe oder Reduzierung von Aktivitäten zugunsten des Substanzkonsums
  • Fortgesetzter Gebrauch, trotz körperlicher oder psychischer Probleme
  • Starkes Konsum-Verlangen (Craving)

AMK-Meldungen zum Missbrauch von Arzneimitteln gibt es immer wieder. Ein Klassiker unter den missbräuchlich verwendeten Wirkstoffen der letzten Jahre ist wohl Tilidin. Zunächst wurde allen Fertigarzneimitteln der Opiod-Antagonist Naloxon beigesetzt, später wurden alle flüssigen Zubereitungen dem Betäubungsmittelrecht unterstellt. Unter hohen Dosen Tilidin berichten Konsumenten von Rauschzuständen. Bei der Einnahme normaler Dosen retardierter Formen beschreiben Anwender eine sogenannte Opiod-Wärme: Ein positives Gefühl von Geborgenheit, Gelassenheit und Sicherheit macht sich über mehrere Stunden bemerkbar.

Doch welche Wirkstoffe bergen generell Missbrauchspotential?

Bei den betroffenen Arzneistoffen wird zwischen denen mit und ohne Abhängigkeitspotential unterschieden. Häufig missbräuchlich verwendete Substanzen sind:

  • Opiode (Tilidin, Tramadol, Codein)
  • Sedativa und Hypnotika (H1-Antihistaminika wie Diphenhydramin, Ketamin)
  • Tranquilizer und Anxiolytika (Benzodiazepine, Z-Substanzen)
  • Aufputschmittel (Pseudoephedrin, Sibutramin, Amphetamin)
  • Laxanzien (Sennesfrüchte, Bisacodyl)
  • Hormone (L-Thyroxin, Wachstumshormone)
  • Diuretika (HCT, Furosemid)
  • Alpha-Sympathomimetika (Nasenspray: Xylo-, Oxymetazolin)
  • Beta-Sympathomimetika (Asthmaspray: Salbutamol)
  • NSAID (Ibuprofen, Diclofenac)

Das pharmazeutische Personal sollte bei Verlangen eines Arzneistoffes der oben genannten Wirkstoffgruppen besonders aufmerksam sein. Um einem potentiellen Missbrauch entgegenzuwirken, können konkrete Informationen über die Anwendung und Absichten erfragt werden. Bei der Ablehnung einer Beratung kann die Abgabe in letzter Konsequenz verweigert werden.

Wie sind die Erfahrungen mit Missbrauchsfällen in der Apotheke?

Wegsehen, ein zarter Hinweis oder offene Konfrontation? Den Arzt ansprechen? Was hat sich bewährt, was funktioniert gar nicht? Jetzt mit den Kolleginnen und Kollegen autauschen: Im LABOR von APOTHEKE ADHOC – „powered by“ Pohl-Boskamp.

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