Lebenswichtiges Hormon

Cortisol-Entgiftung: „Nicht möglich und nicht erwünscht“

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Berlin -

In den sozialen Medien kursiert der Begriff „Cortisol-Face“ – ein angeblicher Effekt eines erhöhten Cortisolspiegels, der zu einem rundlichen Gesicht und hartnäckigem Bauchfett führen soll. Influencer:innen propagieren Methoden zur „Cortisol-Entgiftung“, um Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Gewichtszunahme zu bekämpfen. Doch Expert:innen warnen: Cortisol ist ein essenzielles Hormon, das den Körper leistungsfähig macht und nicht „entgiftet“ werden kann.

Der Begriff des sogenannten „Cortisol Face“ wurde zuletzt in den sozialen Medien verbreitet. Influencer:innen warnten dabei vor einem Überschuss des körpereigenen Stresshormons und den Auswirkungen. Zudem gab es Tipps wie man seinen Cortisol-Spiegel senken und somit auch lästiges Bauchfett loswerden könne.

„Dieser Trend ist gefährlich, weil er völlig verkennt, dass es sich bei Cortisol um ein lebensnotwendiges Hormon handelt, das den Körper überhaupt erst leistungsfähig macht“, entlarvt Dr. Birgit Harbeck, Mediensprecherin der DGE den Mythos. Bei allen Menschen werde das Hormon in einer tageszeitlichen Rhythmik und bedarfsgerecht gebildet, erklärt sie. „Die alltägliche Stressbelastung ist naturgemäß mit normalen Schwankungen des Cortisolspiegels verbunden, die nicht mit den typischen Folgen einer krankhaften Mehrsekretion von Cortisol im Sinne eines Cushing-Syndroms einhergehen.“

Das heißt konkret: „Nicht jedes rundlichere Gesicht ist auf einen erhöhten Cortisolspiegel oder das Cushing-Syndrom zurückzuführen“, so die Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie. Zudem stellt sie klar: „Auch der Begriff der Cortisol-Entgiftung ist irreführend, denn eine Entgiftung von diesem überlebenswichtigen Hormon ist natürlich nicht möglich und vor allem nicht geboten oder gar erwünscht.“

Die empfohlene Entgiftung soll laut den Influencer:innen zur Bekämpfung von Müdigkeit über Bauchfett bis hin zu Konzentrationsstörungen eingesetzt werden. „Ziel dabei ist es, den Cortisolspiegel auf natürlichem Weg zu senken. Empfehlungen wie Bewegung und Sport, Entspannung und Schlaf sowie eine gesunde Ernährung fördern grundsätzlich einen gesunden Lebensstil und sind daher zu begrüßen. Dies kann sich durch Verringerung von Stress auch positiv auf den Cortisolspiegel auswirken“, erklärt sie. Aber eine generelle Entgiftung könne und solle nicht erreicht werden.

Über die kommerziellen Hormontests für zu Hause, die auch für Speichelcortisol über das Internet beziehbar sind, hat die Expertin eine deutliche Meinung: „Ich möchte die Gelegenheit noch einmal ergreifen, darauf hinzuweisen, dass diese Tests ungenau und irreführend sein können.“ Denn: „Bei Nichtbeachtung äußerer Bedingungen wie der Tageszeit oder schlechter Qualität der Testverfahren sind die erhaltenen Ergebnisse nicht ausreichend verwertbar.“

Es würden sich immer wieder verunsicherte Patient:innen in der Praxis oder Ambulanz vorstellen, die meinen, eine Störung des Cortisolstoffwechsels zu haben. „Bei Verdacht auf eine hormonelle Ursache von Beschwerden sollte die Vorstellung in einer endokrinologischen Facharztpraxis erfolgen, um eine valide Messung inklusive Besprechung der Ergebnisse zu gewährleisten“, rät Harbeck. „Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon, das wie der Motor eines Autos, uns Menschen am Leben erhält.“

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