Westfalen-Lippe

Arzneimittel „unter der Ladentheke“

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Berlin -

Pick-up gab es schon an Tankstellen, in Blumenläden, in Apotheken und in ehemaligen Apotheken. Eine Apothekerin aus Nordrhein-Westfalen wollte nach dem Umzug in neue Betriebsräume nicht auf ihre Betriebserlaubnis warten und gab Arzneimittel ohne Zulassung ab. Jetzt muss sie sich vor dem Landgericht Münster verantworten.

Das Schicksal der Apothekerin beschäftigt die Lokalpresse bereits seit Jahren. Anfang 2012 hatte sie angekündigt, ihren alten Standort aufgeben und mit ihrer Apotheke umziehen zu wollen. Kurz darauf kam es zu einem Brandanschlag, der womöglich dazu dienen sollte, Einbruchspuren zu beseitigen. Durch eine Verpuffung wurde die Fensterfront aus der Verankerung gerissen, den Sachschaden schätzte die Polizei auf 100.000 Euro. Der Täter wurde nie gefasst.

Die Apothekerin zog einige Häuser weiter und eröffnete eine neue Apotheke. Allerdings bekam sie dafür keine Betriebserlaubnis. Ein Grund dafür könnte gewesen sein, dass ihr Mann, der als angestellter Apotheker bei ihr gearbeitet hatte, im September 2012 wegen der Fälschung von Rezepten zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden war. Unabhängig davon, ob die Apothekerin daran beteiligt gewesen war oder nicht: Die zuständige Behörde sprach ihr offenbar die nötige Zuverlässigkeit ab.

Trotzdem soll die Apothekerin aus den neuen Räumen Medikamente abgegeben haben. Sie betonte gegenüber Medien, lediglich mit Kosmetika und Nahrungsergänzungsmitteln zu handeln. Rezepte ihrer Stammkunden sammele sie ein und gebe sie an eine befreundete Apothekerin weiter.

Diese Rezeptsammelstelle hatte sie nicht als Problem empfunden. Das Amtsgericht Steinfurt sah es anders: Während die Apothekerin vor dem Verwaltungsgericht in Münster noch gegen die Nichtzulassung der neuen Räume klagte, wurde sie Mitte Juni 2013 zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie legte Berufung ein.

Auch nach der Verurteilung soll die Apothekerin weiter mit Arzneimitteln gehandelt haben. Sie selbst hat das in den Westfälischen Nachrichten bestritten. Mitarbeiter der Zeitung hatten allerdings nach eigenen Angaben bei einem Testkauf im Juli 2013 apothekenpflichtige Medikamente erwerben können. Ein Sprecher der Apothekerkammer Westfalen-Lippe erklärte damals aber bereits, dass die Apotheke für die Kammer bereits seit 2012 geschlossen sei und keine Betriebserlaubnis vorliege.

Im September 2013 wurde die Apotheke versiegelt, weil trotz der fehlenden Betriebserlaubnis ein Apothekenbetrieb stattgefunden haben soll. „Es wurden Testeinkäufe vorgenommen, es ist uns von Kunden berichtet worden und auch der Kreis war vor Ort“, so der Leiter des Kreisgesundheitsamtes gegenüber der Grevener Zeitung.

Nun, mehr als ein Jahr später, verhandelt das Landgericht Münster über die Berufung der Apothekerin. Den Westfälischen Nachrichten zufolge deutet vieles auf eine Einstellung des Verfahrens hin. Der Verteidiger der Apothekerin hatte demnach argumentiert, dass sie im Besitz einer Betriebserlaubnis für die Apotheke drei Häuser weiter gewesen sei. Es müsse geklärt werden, ob die neuen Räume nur Annahme- und nicht Abgabestelle gewesen sei.

Der Vorsitzende Richter schien dem Bericht zufolge einer Einstellung des Verfahrens nicht abgeneigt zu sein. Er sieht demnach keine hohe strafrechtliche Relevanz: „Es ist etwas anderes, ob ein Gemüsehändler unter der Ladentheke verschreibungspflichtige Medikamente abgibt oder eine ausgebildete Fachkraft.“

Diese Argumentation teilt der Staatsanwalt der Zeitung zufolge aber nicht und verweist darauf, dass die Apothekerin Arzneimittel im Wert von über 25.000 Euro über eine andere Apotheke bezogen habe. Deren Inhaberin war demnach wegen Beihilfe angeklagt worden, das Verfahren wurde aber mittlerweile eingestellt.

Auch die Apothekerkammer kann der Aussage des Richters nicht zustimmen: „Das entspricht nicht unserem Verständnis von Apotheke“, so ein Sprecher. Die Abgabe von Arzneimitteln dürfe nicht trivialisiert werden. Ob der Apothekerin auch berufsrechtliche Konsequenzen drohen, entscheidet sich nach dem Ausgang des Verfahrens.

Die Pharmazeutin betreibt heute keine Apotheke mehr, sondern bietet in dem „Kosmetik- und Wellness-Shop der Apothekerin am Niederort“ in der gleichen Straße, in der auch ihre zwei Apotheken lagen, Kosmetik- und Wellness-Behandlungen und Kosmetika an.

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