Interview

Tierversuche: Schwer zu ersetzen

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Berlin -

Für Kosmetik sind Tierversuche verboten. In anderen Bereichen werden jedoch noch häufig Mäuse, Ratten und Co eingesetzt. Zum Internationalen Tag des Versuchstiers (24. April) erklärt Toxikologe Professor Dr. Gilbert Schönfelder, warum es solche Experimente wohl noch lange geben wird. Im Interview der dpa spricht der Leiter der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (Zebet) am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) aber auch über Alternativen.

Frage: Wie groß ist die Dimension von Tierversuchen in Deutschland?
Antwort: Die Zahl liegt seit Jahren konstant bei etwas mehr als 2,8 Millionen Versuchstieren. An der Größenordnung hat sich nicht viel geändert. Es hat eher eine Verschiebung bei den Tierarten gegeben. Mäuse werden am häufigsten verwendet. Ratten auf Platz zwei haben ein bisschen abgenommen. An dritter Stelle liegen Zebrafische.

Frage: Warum sind es ausgerechnet diese Tiere?
Antwort: Der Mensch ist ein lebender Organismus. Um grundlegende biomedizinische Fragen aufzuklären, nutzen viele Forscher komplexe Organismen. Die moderne Gentechnologie ermöglicht es, Mäuse einfach genetisch zu verändern. Das ist der Grund, warum die Maus in den vergangenen Jahren mehr als Versuchstier eingesetzt wurde. Neben den Mäusen und Ratten wird auch der Zebrafisch eingesetzt. Der Zebrafisch hat vielen Vorteile: Er ist durchsichtig, besonders geeignet für die Entwicklungsbiologie, genetisch einfach zu verändern, aber auch gut und kostengünstig zu halten. In vielen grundlegenden biologischen Funktionen wie Gefäßbildung und Herz-Kreislauf-System ist er dem Menschen ähnlich.

Frage: Warum werden überhaupt noch Versuche mit Tieren gemacht?
Antwort: Sie sind von grundlegender Bedeutung, um biologische Prozesse und Krankheiten zu verstehen. 14 Prozent der Tierversuche werden für toxikologische Sicherheitsprüfungen durchgeführt – etwa um die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Chemikalien oder Pestiziden zu prüfen. Tierversuche für Kosmetika sind mittlerweile verboten. Die größte Menge an Versuchstieren wird in der Grundlagenforschung eingesetzt. An manchen Stellen ist insbesondere die biomedizinische Wissenschaft noch nicht weit genug, um darauf zu verzichten.

Frage: Welche Alternativen gibt es?
Antwort: Da tut sich einiges. Wir würden in manchen Bereichen viel mehr Tierversuche sehen, wenn es die alternativen Technologien noch nicht gäbe. Beispiele sind etwa Modelle am Computer. Heute kann man anhand der vorhandenen Daten vieles simulieren, was früher nur mit einem Tierversuch möglich war. Natürlich braucht man immer das biologische Experiment, das die Daten liefert. Eine Vielzahl von Antikörpern wird heute zudem aufwendig in Zellkulturen produziert und nicht mehr im Tier. Hinzu kommt, dass bestimmte Aspekte zur Sicherheit von Chemikalien inzwischen auch an Hautmodellen getestet werden können. Im Kommen ist vor allem die Forschung mit menschlichen, sogenannten pluripotenten Stammzellen. Hier sind aber auch ethische Fragen zu berücksichtigen.

Frage: Sind Tierversuche irgendwann ganz verzichtbar?
Antwort: Komplett auf Tierversuche zu verzichten, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht realistisch. Die Forschung zu Alternativmethoden etwa muss noch deutlich verstärkt werden. Wir werden aber nächstes oder übernächstes Jahr einen Rückgang bei Versuchen mit Mäusen sehen. Hintergrund ist, dass für die Prüfung der Letalität (Tödlichkeit) des Nervengifts Botulinumtoxin nun Testverfahren zugelassen sind, die ohne Tierversuche auskommen. Insgesamt werden wir mit dem Fortschreiten der biomedizinischen Forschung in bestimmten Bereichen eine Reduktion an Tierversuchen sehen.

Gilbert Schönfelder ist Leiter der Abteilung Experimentelle Toxikologie und der Zebet am BfR. Dort ist auch das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren angesiedelt.

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