„Psychopharmaka sind nicht alternativlos“

Aufklärungsbögen: Pharmakritiker kooperieren mit Kliniken

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Berlin -

Ein Selbsthilfenetzwerk, die drei großen psychiatrischen Kliniken in Rheinland-Pfalz und Psychiatrie-Kritiker haben gemeinsam Aufklärungsbögen etwa zu Antidepressiva entwickelt. Die ersten Erfahrungen sind positiv.

Patienten können oft kaum abschätzen, welche Folgen die Medikamenten-Behandlung einer psychischen Erkrankung hat. Das Landesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit Rheinland-Pfalz (NetzG-RLP) hat deswegen unter Mitwirkung von Pharma-Kritikern neue Aufklärungsbroschüren erstellt. Klinikpatienten sollen so in die Lage versetzt werden, eine eigene Entscheidung zu treffen, ob sie Psychopharmaka einnehmen wollen oder nicht. „Weil Patienten oft die Fachsprache nicht verstehen, haben wir die Aufklärungsbögen auch in leichte Sprache übersetzt“, sagt Franz-Josef Wagner vom NetzG-RLP.

„Die gesetzliche geforderte Aufklärung von Patienten geschieht oft unter Zeitdruck, einseitig und unvollständig und suggeriert den Betroffenen, wie sie sich entscheiden sollen“, sagt der an der Erstellung der Aufklärungsbögen beteiligte Pharmakritiker und Gründer des Antipsychiatrieverlags, Peter Lehmann. Die Broschüren des Landesnetzwerks Selbsthilfe seelische Gesundheit Rheinland-Pfalz informierten auch über die Gefahr einer Medikamentenabhängigkeit und erläuterten, wie Medikamente wieder abgesetzt werden könnten, um das Risiko von Entzugssymptomen möglichst gering zu halten.

Ausgehend vom Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit müsse ein Patient auch über Alternativen zu Psychopharmaka oder Antidepressiva informiert werden. „Psychopharmaka sind nicht alternativlos.“ Es sei ein wichtiger Meilenstein, „dass erstmals Psychiatriekritiker wie ich und leitende Chefärzte von Kliniken einen gemeinsamen Text formulieren“.

Erste Untersuchungen zur Wirksamkeit der neuen Bögen zeigten, dass diese von Patienten als sehr hilfreich bewertet würden, sagte Markus Wakulat, Sprecher des Landeskrankenhauses mit seinen Standorten wie der Rhein-Mosel-Fachklinik in Andernach und der Rheinhessen-Fachklinik in Alzey.

Unter Federführung des NetzG-RLP hätten die drei großen psychiatrischen Einrichtungen in Rheinland-Pfalz – darunter auch das Pfalzklinikum in Klingenmünster – über mehrere Monate hinweg an der Entwicklung der Aufklärungsbögen mitgewirkt. Diese wurden für die internationale Verwendung auch in neun Sprachen übersetzt und können unter der Internet-Adresse bit.do/medi-info heruntergeladen werden.

Die Entwicklung der Aufklärungsbögen wurde vom Land finanziell gefördert. Sie „sollen dazu beitragen, die Patientenautonomie durch Aufklärung zu stärken“, erklärte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD). Wenn Patienten in die Lage versetzt würden, Nutzen und Risiken von Medikamenten besser zu beurteilen, könnten sie auch selbstbestimmter handeln.

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