Hasskriminalität

Drohanrufe im Notdienst: Impfgegner nötigen Apotheken

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Berlin -

Mehrere Apotheken haben in den vergangenen Tagen im Notdienst Drohanrufe wegen des Angebots von Covid-19-Impfungen erhalten. Dabei sei angekündigt worden, dass „der Krieg begonnen habe“, sagt Jandirk Burchards aus Niedersachsen. Dr. Anja Stelzer-Bohn aus Nordrhein-Westfalen brachte die Drohanrufe zur Anzeige. Die Approbierte rät betroffenen Kolleg:innen, ebenfalls die Polizei zu informieren, denn „es geht um die Apotheke als Institution“.

Die Covid-19-Impfung erhitzt die Gemüter, was die Querdenker-Szene weiter ausnutzt. Impfende Ärzt:innen stehen unter Druck von sogenannten Impfgegnern. In Niedersachsen etwa erhielt ein Hausarzt im vergangenen Herbst Mord- und Gewaltandrohungen, weil er die Behandlung von Patienten ablehnt, die sich einer Corona-​Impfung verweigern. Gewaltaufrufe gibt es unter anderem in sozialen Netzwerken. Eine Recherche von Tagesschau.de in geheimen und offenen Telegram-Chatgruppen zeigte, dass es innerhalb von zwei Monaten seit Mitte November täglich Tötungsaufrufe gegen Personen aus Politik, Wissenschaft, Medizin, Behörden und Medien gebe. Diese Hasskriminalität scheint jetzt auch in Apotheken angekommen.

„Wenn ihr impft, bringen wir euch um“

Vergangenen Mittwoch kurz vor Ende des Notdienstes ging in der Mühlen Apotheke in Steinhagen der erste Drohanruf ein. Als Stelzer-Bohn das Telefonat gegen 7.30 Uhr entgegennahm, wurde ihr Folgendes androhte: „Wenn ihr impft, bringen wir euch um, es ist Krieg“, zitiert die Filialleiterin die Ankündigung des unbekannten Anrufers. Die Nummer sei unterdrückt gewesen. Als die Apothekerin auflegte, habe er es mehrfach erneut probiert.

„Ich habe keine Angst gehabt, sondern war stinksauer“, sagt Stelzer-Bohn. „Was bilden die sich eigentlich ein?“ Vier- bis fünfmal hintereinander probierte es der unbekannte Mann in der Apotheke. Die Apothekerin griff ihrerseits sofort zum Telefon und alarmierte die Polizei. Die Beamten seien sofort in die Apotheke gekommen und bestärkten die Approbierte. „Alle Apotheken, denen das passiert, sollen die Anrufe immer anzeigen.“

Die Anonymität des Anrufers könne aufgehoben werden, da es sich nicht um eine private Drohung handele. „Es ging um ein allgemeines Thema, um die Apotheke an sich.“ Wenn der Anrufer sich weiterhin in der Mühlen Apotheke melden werde, wolle die Polizei eine Fangschaltung installieren. Wichtig sei, sich die genaue Anrufzeit, die Länge des Gesprächs und die Inhalte zu merken, habe die Polizei ihr geraten. „Damit man es zurückverfolgen kann.“

 

Auch ihr Kollege Burchards erhielt beim Notdienst in seiner Rosen-Apotheke in Varel in der Nacht zu Sonntag Drohanrufe. Dem Inhaber zufolge sind die Androhungen aber vom Band gekommen. „Wir Apotheken sollen aufpassen, wenn wir anfangen zu impfen, da der Krieg jetzt beginnt“, gibt er den Inhalt der Ansage wieder. Drei- bis viermal habe die unbekannte Nummer gegen 4 Uhr morgens bei ihm angerufen. „Es ging immer wieder los.“

Auch eine Apotheke im Umkreis soll zur gleichen Zeit bedroht worden sein. Die Initiatoren wählten offenbar willkürlich Apotheken aus. Denn im Fall der Mühlen- und Rosen-Apotheke richteten sich die Anrufe an Betriebe, die gar nicht gegen Covid-19 impfen.

Erstmals Drohanrufe erlebt

Die Anrufe waren für beide eine Premiere. Anrufe mit sexueller Belästigung gebe es schon, aber Drohungen seien noch nie dagewesen, sagt Stelzer-Bohn. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt auch Burchards, der selbst ebenfalls noch keine Covid-19-Impfungen anbietet. „Es ist keine schöne Situation. Meinen angestellten Apothekerinnen will ich das nicht antun.“

Der Apotheker überlegt, den Vorfall ebenfalls der Polizei zu melden. „An solchen Geschichten stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit des Notdienstes. Er wird immer mehr zum Argument, keine eigene Apotheke zu übernehmen oder gar nicht in die öffentliche Apotheke zu gehen.“ Eine Reform sei nötig. Man könne doch Kernnotdienstzeiten festlegen und für alle anderen Fälle eine andere Lösung suchen.

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