Nachfolger für Traditionshaus gesucht

Aus nach 360 Jahren: Inhaber will Apotheke retten

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Berlin -

Eine der ältesten Apotheken Deutschlands könnte vor dem Aus stehen: Seit 360 Jahren gibt es die „ehemalige königliche privilegierte Apotheke“ im sächsischen Bad Muskau. Doch Inhaber Rüdiger Halbauer möchte bis Mitte 2021 die Selbständigkeit als Inhaber aufgeben und muss bis dahin einen Nachfolger gefunden haben – keine leichte Aufgabe.

Über der Tür kann bis heute jeder Kunde lesen, seit wann es die Markt-Apotheke gibt: seit 1660. Damals vor 360 Jahren, Preußen wurde gerade im Vertrag von Oliva als souveränes Herzogtum anerkannt, öffnete die Apotheke erstmals ihre Pforten. Damit ist sie zwar weit davon entfernt, die älteste deutsche Apotheke zu sein – diesen Rang beansprucht die bereits 1241 erwähnte Löwen-Apotheke in Trier für sich. Doch gehört die „ehemalige königliche privilegierte Apotheke am Marktplatz“ zu den traditionsreichen Apotheken in der Bundesrepublik, auch weil das Gebäude eine denkmalgeschützte Offizin aus dem Jahre 1896 beherbergt. Seit ihrer Eröffnung hatte die Apotheke, soweit dies nachvollziehbar ist, immer geöffnet. Lediglich 1945, zum Ende des Zweiten Weltkriegs, und nach der Wiedervereinigung 1990 war sie für einige Wochen geschlossen.

Nun droht nach der langen und bewegten Geschichte im kommenden Sommer das Aus – und zwar wegen des Fachkräftemangels. Rüdiger Halbauer, Fachapotheker für Allgemeinpharmazie und seit 1991 Inhaber der Markt-Apotheke, möchte sich langsam auch aus gesundheitlichen Gründen als Inhaber zurückziehen. Am 30. Juni 2021 will er seine Apotheke offiziell abgeben. Nur einen Interessenten für die Nachfolge hat er noch nicht gefunden. Damit droht die Schließung. Das wäre für das ganz im Nordosten von Sachsen gelegene Bad Muskau und die 3686 Einwohner ein schwerer Schlag, und zwar nicht nur aus historischen Gründen, sondern vor allem weil damit ein wichtiger Baustein der Gesundheitsversorgung wegbrechen würde. Mit der Markt-Apotheke würde die einzige Apotheke im näheren Umkreis dicht machen. Und was das für die in Bad Muskau und Umgebung ansässigen Arztpraxen bedeutet, ist nicht absehbar.

Noch hat Halbauer die Hoffnung aber nicht aufgegeben. Denn seine Linda-Apotheke ist alles andere als ein verstaubtes Museum: Telesprechstunden, eine eigene Website mit Online-Shop, eine moderne Warenwirtschaft, die auch E-Rezepte verarbeiten kann, und ein Kommissionierer sollen Tradition und digitale zukunft verbinden. „30 Jahre habe ich diese Apotheke immer weiter auf den aktuellsten Stand gebracht“, sagt der 61-Jährige. Und das gelte nicht nur für die Technik: Beratungen zu Naturheilkunde und Homöopathie gehören ebenso zum Angebot wie ein Venenfachcenter von Belsana. Letzteres konnte eingerichtet werden, weil sich die Mitarbeiter der Markt-Apotheke beständig weitergebildet haben. „Die Apotheke ist in allen Belangen zukunftstauglich“, sagt Halbauer.

Dass eine Apotheke in Bad Muskau eine Zukunft haben könnte, davon ist er überzeugt. Schließlich ist die Kommune ein staatlich anerkannter Kurort mit Moorkurbetrieb. Für Kurgäste und Touristen ist Bad Muskau darüber hinaus durch den Fürst-Pückler-Park ein attraktives Ziel. Der 830 Hektar große Park gilt als größter Landschaftspark Zentraleuropas im englischen Stil und wurde 2004 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Das sind Rahmenbedingungen, von denen auch seine Apotheke profitiert, ist Halbauer überzeugt.

Doch auch in Halbauers Apotheke hat das „Seuchenjahr 2020“, wie er es nennt, Spuren hinterlassen. Durch die zeitweilige Sperrung der polnischen Grenze im Frühjahr, konnten zwei Angestellte aus dem Nachbarland fast zwei Monate nicht in der Apotheke arbeiten. Sein angestellter Apotheker Tomasz Lewandowski musste sich für zwei Wochen von seiner Familie trennen, um weiter arbeiten zu können. Dann kam die 2. Welle im November und fast alle Mitarbeiter und der Inhaber wurden an einem Tag in Quarantäne versetzt. „Nur durch Zufall konnte eine befreundete Apothekerin aushelfen und den Apothekenbetrieb mit einer polnischen PTA unter hohem persönlichem Einsatz aufrechterhalten. Dafür gilt es, öffentlich Dankeschön zu sagen“, betont Halbauer. Für den Apothekenbetrieb erschwerend kamen hohe Auflagen des Görlitzer Gesundheitsamts hinzu, gegen die sich der Apotheker juristisch zur Wehr setzte. Außerdem ist er auch noch von der Insolvenz des Rezeptabrechners AVP betroffen. „Ich habe eindeutig schon pharmazeutisch herausfordernde Jahre erlebt“, sagt der Apotheker.

Die Erfahrungen dieses Jahres hätten auch dazu beigetragen, dass er nun aus dem Berufsleben ausscheiden möchte. Die Hoffnung, dass seine Apotheke weiterleben kann, will er noch nicht aufgeben: Es sei eine neue Generation von Apothekern herangewachsen, die moderne Entwicklungen als Chance und Möglichkeit verstehen. „Meine Hoffnung ist es, dass Bad Muskau auch in Zukunft eine Apotheke vor Ort hat“, so Halbauer.

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