Retaxierung

Rezeptfehler als Geschäft

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Mit dem Ende der Friedenspflicht wächst bei den Apothekern die Sorge vor neuen Retaxierungen. Während einige Kassen die festgelegten „Ausnahme-Tatbestände“ großzügig auslegen, retaxieren andere strikt nach den Richtlinien des jeweiligen Arzneiliefervertrages. Selbst offensichtliche Formfehler wie schlecht lesbare Pharmazentralnummern führen dann zu Retaxierungen. Weil diese sich nicht nachträglich korrigieren lassen, haben das Nachsehen die Apotheker - auch wenn sie im Interesse des Versicherten gehandelt haben.

In der Branche wird vermutet, dass die Jagd nach Rezeptfehlern für so manchen „externen“ Anbieter ein lohnendes Geschäft ist. Während große Versicherer die Rezeptprüfung selbst vornehmen, haben viele kleine Kassen diese Aufgabe ausgelagert. Insider gehen davon aus, dass eine Kasse mit Retaxierungen bis zu 0,5 Prozent des Umsatzes sparen kann. Je nach Mitgliederzahl ist das ein lohnendes Geschäft. Allerdings sind den Versicherern Grenzen gesetzt: Die Rezeptprüfung ist trotz eingesetzter Technik und Software ein personalintensives Unterfangen, und die Verwaltungskosten der Kassen sind gesetzlich gedeckelt, auch wenn die Prüfung von einem Dienstleister vorgenommen wird. Deshalb nehmen die Prüfstellen nur Stichproben und beginnen bei den „teuersten“ Rezepten.

Zu den großen Dienstleistern zählen die aus der Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheker (VSA) hervorgegangene Gesellschaft für Statistik mbH (GfS) sowie die Inter-Forum AG. Das Unternehmen mit Sitz in Leipzig arbeitet Branchenkennern zufolge auf „Provision“, wird also an den Einsparungen der Krankenkassen beteiligt. Inter-Forum streitet dies ab. Zwar gebe es eine mengenabhängige Vergütung; diese stehe aber in keinem Verhältnis zu den erfolgten Retaxierungen, so ein Sprecher des Unternehmens gegenüber APOTHEKE ADHOC: „Das ist eine Frage der Fairness.“

Die Erfahrungen der Apotheker spiegeln diese Fairness offenbar nicht immer wieder, denn die Beanstandungen der Kassen, für die Inter-Forum ermittelt, grenzen zuweilen an Absurdität: Rezepte werden wegen falscher Packungsgrößen beanstandet, obwohl die abgegebene Menge weniger kostet als die verordnete Anzahl kleinerer Packungen. Andere Retaxierungen betreffen so geringe Beträge, dass sogar das Porto für die Zustellung teurer ist.

Inter-Forum hatte 1996 zunächst eine Software zur Rezeptprüfung entwickelt und wollte diese über Lizenzverträge an Krankenkassen verkaufen. Doch die Gmünder Ersatzkasse (GEK) habe Inter-Forum gedrängt, die Rezeptprüfung vollständig für die Kasse zu übernehmen, berichtet ein Branchenkenner. Inter-Forum stimmte offenbar zu und hat seitdem weitere Kunden gewonnen. So lassen unter anderem die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), HZK (früher Hamburgische Zimmererkrankenkasse), KEH (früher Krankenkasse Eintracht Heusenstamm) und die Landwirtschaftliche Krankenkasse (LKK) ihre Rezepte bei der zur Inter-Forum gehörenden Data-Services GmbH prüfen. Nach wie vor können Kassen zudem die Software „Rezept 300“ einkaufen und die Prüfung selbst vornehmen - wie etwa die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK), die Techniker Krankenasse (TK) oder einzelne Ortskrankenkassen (AOK). „Für uns ist es ein großer Vorteil, dual aufgestellt zu sein“, berichtet der Inter-Forum Sprecher. Weil das Unternehmen täglich selbst mit der entwickelten Software arbeiten müsse, könne diese ständig optimiert werden. An der Aktiengesellschaft sind nach Angaben des Unternehmens keine fremden Kapitalgeber beteiligt.

In Zukunft könnten Retaxierungen die Rezeptprüfer und vor allem die Apotheken noch mehr beschäftigen: Denn bei der Abgabe von nicht rabattierten Arzneimitteln mit Rabattvertrag droht künftig eine „Null-Retaxierung“. Inter-Forum ist mittlerweile routiniert im Umgang mit Beschwerden und wütenden Anrufen der Apotheker: „Ich verstehe den Ärger, das sind doch auch nur Menschen“, so der Sprecher.

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