US-Pläne zur Medikamentenpreisbindung stoßen auf scharfe Kritik aus Deutschland: Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump will die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel senken – zulasten internationaler Hersteller. Die deutsche Pharmaindustrie warnt vor gravierenden Folgen für Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität.
Die US-Regierung plant, die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente künftig an das Preisniveau wohlhabender Industrienationen zu koppeln. In der Praxis könnte dies Preissenkungen von bis zu 80 Prozent bedeuten – ein Schritt, den Trump als patientenfreundlich und längst überfällig bezeichnet: Die Maßnahme richte sich gegen das langjährige Preisgefälle, das US-Verbraucher im Vergleich zu anderen Ländern ungerecht belaste.
Der Eingriff in den Markt ruft international scharfe Reaktionen hervor – auch aus Deutschland. Branchenvertreter warnen: Eine aggressive Niedrigpreispolitik könnte nicht nur die wirtschaftliche Basis exportorientierter Unternehmen untergraben, sondern auch Lieferketten destabilisieren und die Versorgung mit essenziellen Arzneimitteln gefährden.
„Die angekündigte Kopplung der US-Arzneimittelpreise an internationale Referenzwerte sowie mögliche Importzölle belasten exportorientierte Pharmaunternehmen in Deutschland – besonders den forschenden Mittelstand“, sagt Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie (BPI). „Der US-Markt ist und bleibt ein zentraler Absatzkanal mit strategischem Gewicht.“
Die USA seien neben der EU ein sehr wichtiger Markt für die deutsche Pharmabranche, so Joachimsen. 2023 habe Deutschland Pharmaprodukte im Wert von 113 Milliarden Euro exportiert, wovon 26 Milliarden Euro in die USA gegangen seien. Eine Preisregulierung würde die Erträge mindern, während Zölle die Wettbewerbsfähigkeit weiter schwächen würden. Gerade mittelständische Unternehmen seien verwundbar: „Mit weniger finanziellen Puffern und abhängig von stabilen Lieferketten treffen sie geopolitische Unsicherheiten, steigende Transportkosten und Handelsbarrieren besonders hart.“
Ein globaler Preisanstieg, wie von der US-Regierung angedeutet, sei angesichts der europäischen Preisregulierung und nationaler Erstattungssysteme unwahrscheinlich. Vor dem Hintergrund wachsender geopolitischer Unsicherheiten und protektionistischer Tendenzen sei jedoch eine zukunftsorientierte Industriepolitik in Deutschland notwendiger denn je. „Der BPI fordert die neue Bundesregierung daher auf eine entschlossene und konsequente Neuausrichtung der Standort- und Handelspolitik, die auf langfristige Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit abzielt“, fordert Joachimsen.
„Der Plan der US-Regierung, die Preise für Medikamente deutlich zu senken, ist ein politisch populäres Vorhaben, das auf den ersten Blick patientenfreundlich erscheint“, sagt Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland. „Doch ein genauer Blick zeigt: Die Maßnahme birgt erhebliche Risiken für Versorgungssicherheit, Marktdynamik und industrielle Souveränität.“ Deutschland habe in den vergangenen Jahren in der Basisversorgung vorgemacht, dass eine kompromisslose Niedrigpreispolitik zu massivem Preisdruck und in der Folge zu einer deutlichen Marktverengung führe.
„Immer weniger Anbieter teilen sich den Markt, Abhängigkeiten von einzelnen Produktionsländern – insbesondere in Asien – sind die Folge. Lieferengpässe bei essenziellen Medikamenten sind längst bittere Realität“, warnt Brakmann. Trumps Plan stehe im Widerspruch zu dem wirtschaftspolitischen Ziel, Produktion in die USA zurückzuholen.
„Niedrigpreise allein sichern keine Versorgung – im Gegenteil: Sie können zum Kollaps stabiler Lieferketten beitragen“, kritisiert Brakmann. Ein fairer, nachhaltiger Preis sei Voraussetzung für Innovationskraft, Investitionen und Produktionsstandorte im eigenen Land. „Wer dauerhaft gute Versorgung will, muss den pharmazeutischen Markt wirtschaftlich attraktiv halten. Sonst droht am Ende genau das Gegenteil dessen, was ursprünglich beabsichtigt war – zum Nachteil von Patienten, Industrie und nationaler Gesundheitssouveränität“, so Brakmann.
„Die USA sind der wichtigste Markt für innovative Arzneimittel. Ohne die Erlöse in den Vereinigten Staaten wären Forschung und Entwicklung, wären neue Therapien auch für europäische Patientinnen und Patienten vielfach nicht denkbar. Was jetzt in den USA entschieden wurde, hat Folgen für die ganze Welt“, warnt Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa).
Die internationale Preisreferenzierung auf den jeweils niedrigsten Preis bremse nicht nur Investitionen in Forschung, sondern verzögere auch die flächendeckende Verfügbarkeit innovativer Arzneimittel – nicht nur in Europa. Denn nur mit Niedrigpreisreferenzierung ließen sich Forschungskosten nicht decken, und Markteinführungen stünden zunehmend infrage.
„Wir müssen uns jetzt auf uns selbst konzentrieren. Die Antwort auf diese Herausforderung kann nur eine gesamteuropäische sein: Wir brauchen einen starken, gemeinsamen EU-Markt mit einer abgestimmten Arzneimittelpolitik“, fordert Steutel. Die Industrie habe hierzu bereits Vorschläge unterbreitet. Ein einheitlicher europäischer Listenpreis mit vertraulichen nationalen Rabatten könne den Standort Europa attraktiver machen. „Jetzt ist der Moment, um Europa als pharmazeutischen Innovationsstandort strategisch zu stärken“, betont Steutel.