Ungarn

Ketten entern Apothekerkammern

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Berlin -

Eigentlich wird die Liberalisierung des ungarischen Apothekenmarktes gerade rückabgewickelt. Doch ausgerechnet die kritische Stimme der Apothekerkammern könnte durch eine Spätfolge der Marktöffnung künftig verstummen. Denn in den Apothekerkammern sitzen inzwischen immer mehr Angestellte der Ketten, während der Anteil unabhängiger Apotheker vielerorts abnimmt. Entsprechend drohen sich die Mehrheitsverhältnisse auch in Sachen Fremd- und Mehrbesitzverbot zumindest regional zu verschieben.

 

2006 hatte die damalige sozialliberale Regierung die Besitz- und Niederlassungsbeschränkungen für Apotheken aufgehoben und die Kammerpflicht abgeschafft. Mehr als jeder Vierte Apotheker verließ daraufhin seine Kammer: Bis Ende vergangenen Jahres war die Mitgliederzahl der Nationalkammer von 7000 auf etwa 5000 gesunken. Vor allem in den großen Städten gründeten Großhändler, aber auch Ärzte und Pharmaunternehmen in der Folge kleinere und größere Ketten. Von den 2400 ungarischen Apotheken gehören heute rund 600 zu einem Verbund, die Hälfte davon wird durch die Großhändler Phoenix, Hungaropharma und Humantrade (Teva) betrieben.

Die seit April 2010 amtierende rechtskonservative Regierung machte die Liberalisierung zum Jahresbeginn weitgehend rückgängig: Bis 2017 müssen die Kettenbetreiber mindestens 51 Prozent der Anteile an jeder Apotheke an Pharmazeuten übertragen haben. Außerdem wurde im April auch die Kammerpflicht wieder eingeführt. Alle rund 8000 ungarischen Apotheker sind mittlerweile wieder Kammermitglied.

Doch insbesondere in der Landesapothekerkammer der Hauptstadt Budapest haben sich die Mehrheitsverhältnisse verschoben: Mehr als ein Drittel der 480 Budapester Apotheken gehören inzwischen einem Kettenkonzern an; in der gewählten Vertreterversammlung der Kammer sind von 80 Mitgliedern mittlerweile 42 bei einer Kette beschäftigt; der Vorsitzende bekleidet eine Führungsposition bei Teva – auf der Internetseite der Budapester Apothekerkammer blinken Werbebanner des Generikariesen.

Ein anderes Präsidiumsmitglied der Kammer – und ehemaliger Funktionär von Pharmanova, der größten Apothekenkette Ungarns – sitzt dem Vernehmen nach zeitgleich im Präsidium des Verbandes der Kettenapotheken. Der Kettenverband hatte sich Ende des vergangenen Jahres für eine Verfassungsklage gegen das „Re-Regulierungsgesetz“ stark gemacht.

In der nationalen Apothekerkammer kommen erst rund 10 Prozent der Mitglieder aus einer Kettenapotheke. Dem Vernehmen nach sind die Vorstandsgremien derzeit ausschließlich von unabhängigen Pharmazeuten besetzt.

 

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