Online-Fragebogen für 17,49 Euro

Bönig verkauft jetzt „Impfunfähigkeitsbescheinigungen“

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Berlin -

Der Unternehmer Markus Bönig hat in der Corona-Krise ein neues Geschäftsfeld für sich entdeckt: Bei „Nachweis-Express“ können sich Impfskeptiker:innen gegen Bezahlung eine „vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung“ ausstellen lassen, die beispielsweise vor einer Kündigung in Berufen mit Impfpflicht schützen soll. Eine Ärztin a.D. gibt dazu online eine gutachterliche Stellungnahme ab. Ihre Ärztekammer hat allerdings bereits Strafanzeige gestellt und Bönig Post von der Wettbewerbszentrale erhalten.

„Bist du überhaupt impffähig?“ Das ist die Frage, um die sich Bönigs neues Angebot dreht. Die Argumentation ist denkbar simpel: Wer nicht ausschließen kann, gegen einen der Inhaltsstoffe in einem der verfügbaren Covid-19-Impfstoffe allergisch zu reagieren, ist vorläufig impfunfähig. Zur genaueren Abklärung wird an einen Allergologen verwiesen.

Und die Bescheinigung ist wirklich einfach zu bekommen: Wer online seine Daten eingibt und 17,49 Euro zahlt, gelangt zu einem Video, in dem insbesondere auf die Risiken der Impfung hingewiesen wird. Einen persönlichen Kontakt zu einem Arzt oder einer Ärztin gibt nicht, auch keine sonstige Form der Onlineberatung.

Ärztin im Hintergrund

Die Kund:innen wählen stattdessen selbst einen Impfstoff aus, bekommen die darin enthaltenen Inhaltsstoffe angezeigt und sollen dann angeben, ob sie eine Allergie gegen alle enthaltenen Stoffe ausschließen können. Bereits der Klick auf die Antwort „Ich bin mir nicht sicher, ob ich auf einen der genannten Stoffe allergisch reagiere“ reicht für die Bescheinigung, die sofort als Download zur Verfügung gestellt wird.

Formal bestätigt eine Ärztin aus Baden-Württemberg „aufgrund meiner ärztlichen Einschätzung und Bewertung der Angaben des Patienten“, dass dieser sich von einem Facharzt für Allergologie überprüfen lassen müsse, bevor eine Impfung mit Covid-19-Impfstoff erfolge. Ansonsten bestehe die konkrete Gefahr auf schwere Impfwirkungen.

Die angegebene Ärztin betreibt selbst keine Praxis mehr, ist dafür aber politisch aktiv. Für die Basisdemokratische Partei Deutschland hat sie auf der Landesliste Baden-Württemberg kandidiert. „Die Basis“ ist aus den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen entstanden und eng mit der „Querdenker“-Szene verbunden. Die Ärztekammer Baden-Württemberg hat gegen ihr Mitglied wegen der Beteiligung an „Nachweis-Express“ Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt.

Gegen Bönig wiederum geht die Wettbewerbszentrale vor: Das Angebot verstoße unter anderem gegen das Fernbehandlungsverbot im Heilmittelwerbegesetz (HWG). Die Feststellung von Allergien gehöre zur Erkennung oder Behandlung von Krankheiten. Mit der Ärztin habe bei einer Testbestellung keinerlei Kontakt bestanden, insofern habe auch keine Fernbehandlung stattgefunden. Es entspreche nicht dem allgemein anerkannten fachlichen Standard, ohne jeglichen persönlichen Kontakt zwischen Patient und Arzt eine Impfunfähigkeitsbescheinigung auszustellen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Grenzen für Online-Sprechstunden unlängst enger gezogen.

Keine zulässige Fernbehandlung

Darüber hinaus findet die Wettbewerbszentrale die Ausgabe einer Impfunfähigkeitsbescheinigungen auch irreführend. Denn damit werde suggeriert, dass der Inhaber der Bescheinigung tatsächlich untersucht und befragt worden sei. Die Bestätigung werde aber nur aufgrund der Angaben des Patienten ausgestellt.

Bönig war für eine Stellungahme persönlich noch nicht zu erreichen, hat sich aber in Interviews bereits umfassend zu seinem Angebot geäußert, das er für rechtlich zulässig hält. Denn bei „Nachweis-Express“ würden Ärzte eine gutachterliche Stellungnahme abgeben, was online möglich sei. Daher leitet sich auch der krumme Preis für die Bescheinigung ab – der Wert entspricht der Abrechnungsziffer in der ärztlichen Gebührenordnung (GOÄ). Es handelt sich bei dem Angebot aus Bönigs Sicht gerade nicht um eine Fernbehandlung.

Dass er selbst im Kreis der Impfskeptiker angekommen ist, wird deutlich, wenn er von den „sogenannten Impfstoffen“ gegen Covid-19 spricht, mit Inhaltsstoffen, die beim Menschen gar nicht angewendet werden dürften. Deshalb glaubt er auch an den langfristigen Erfolg seines Modells. Teil der vorläufigen Impfunfähigkeitsbescheinigung ist ein Arztbrief für den weiterbehandelnden Allergologen. „Es wird sich zeigen, wie die Allergologen das hinbekommen wollen, nachzuweisen, dass sicher keine Allergie vorliegt bei Stoffen, die schwer zu beschaffen sind oder am Menschen gar nicht erprobt werden dürfen“, so Bönig in einem Interview.

Sein Angebot richtet sich vor allem an Beschäftigte in Berufen, die von einer Impfpflicht betroffen sind. Wobei es die eigentlich auch gar nicht gebe, genauso wenig wie Impfstoffe, betont Bönig. Das Gesetz schreibe nämlich nur einen Immunitätsnachweis vor. Und anstelle dessen könnten die Beschäftigten ja ihre Bescheinigung vorzeigen. Bönig will die Geschäftsführer:innen von Kliniken und Pflegeheimen sowie Ärzt:innen über das eigene Angebot informieren.

Bönig und der Apothekenmarkt

Bereits im Frühjahr vergangenen Jahres hatte Bönig die Firma „Test-Express“ gestartet. Apotheken wurden teils unfreiwillig in eine Liste aufgenommen und erhielten plötzlich Terminbuchung für Schnelltests, die sie gar nicht anboten. Überhaupt ist Bönig, der sich selbst als „Sozialunternehmer“ bezeichnet, in der Apothekenbranche bestens bekannt. Mit Firmen wie Ordermed, Vitabook oder Aponow versucht er seit Jahren, im Markt Fuß zu fassen – mit wechselndem Erfolg. Vitabook hat Ende 2020 Insolvenz angemeldet. An Aponow hält Bönig nur noch eine stille Minderheitsbeteiligung – und die neue Unternehmensspitze distanziert sich von seinen neuen Aktivitäten.

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