Erleichterungen für Apotheken

Lieferengpässe: Sachsen erlaubt Tausch und Defektur

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Berlin -

Das Gesetz gegen Lieferengpässe lässt auf sich warten, jenseits der ausgesetzten Festbeträge hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bislang nur Ankündigungen geliefert. In Sachsen will man nicht länger warten: Das Ministerium gibt Apotheken jetzt wichtige Erleichterungen an die Hand.

Mit „sinnvollen und schnell wirkenden Maßnahmen auf Landesebene“ wollen das Sozialministerium und die Landesdirektion Sachsen (LDS) die Auswirkungen der Lieferengpässe für die Patientinnen und Patienten abmildern. Daher seien auf Anregung der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK) Vereinbarungen getroffen worden, um „durch eine unbürokratische Anwendung von geltendem Bundesrecht in Bezug auf die Arzneimittelversorgung eine ausreichende Versorgung der sächsischen Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen“.

Konkret sind drei Möglichkeiten vorgesehen, mit denen die Apotheken im Freistaat auf fehlende Arzneimittel reagieren können:

Tausch von Arzneimitteln

Apotheken dürfen einander kurzfristig und ohne gesonderte Erlaubnis mit Arzneimitteln aushelfen, auch wenn sie nicht zum selben Filialverbund gehören. Betäubungsmittel sind davon explizit ausgenommen. Auch die Nutzung von Tauschplattformen – genannt wird beispielhaft die Tauschbörse „Just check it“ – wird nicht beanstandet, „sofern die Abgabe der gesuchten Arzneimittel ohne Gewinnerzielungsabsicht und im Rahmen des § 17 Absatz 6c der Apothekenbetriebsordnung erfolgt“. Beide Apotheken müssen dabei die Chargendokumentation vorhalten.

Defektur

Eigentlich ist die Defektur nach § 8 ApBetrO nur erlaubt, wenn eine regelmäßige Verordnung vorliegt. Der Beirat sieht bislang keine Handhabe, die gesetzliche Vorgabe zu lockern. In Sachsen können Apotheken nun bis zu 100 Packungen eines Arzneimittels pro Tag erlaubnisfrei herstellen und ohne Zulassung in den Verkehr bringen, wenn ein ansonsten industriell gefertigtes Medikament nicht verfügbar ist. „Dass die auf der Internetseite des BfArM eingestellte Information zur eingeschränkten Verfügbarkeit des betreffenden Arzneimittels mit der häufigen ärztlichen Verordnung gleichgesetzt werden kann, wird akzeptiert. Neben der häufigen ärztlichen Verordnung und der Information des BfArM zu Lieferengpässen kann in der derzeitigen Ausnahmesituation auch die häufige Nachfrage von Patienten einer Defekturherstellung zu Grunde gelegt werden. Die Apotheke sollte jedoch in der Lage sein, die Lieferdefekte des entsprechenden Fertigarzneimittels nachzuweisen.“

Import

Der Einzelimport nach § 73 Absatz 3 Arzneimittelgesetz (AMG) ist, wie der Name schon sagt, auf Einzelfälle aufgrund einer ärztlichen Verordnung beschränkt. In Sachsen wird nun die Einfuhr „auf vorliegende Bestellung einzelner Personen in geringer Menge“ erlaubt. „In der gegenwärtigen Ausnahmesituation wird toleriert, dass die Auslegung des Begriffes ‚geringe Menge‘ entsprechend der Nachfrage angepasst wird. Allerdings muss die vorrätig gehaltene Menge des eingeführten Arzneimittels dem Betrieb der Apotheke angemessen sein.“

Ob diese Möglichkeit tatsächlich genutzt wird, ist ungewiss. Denn für Importe müssen Apotheken vorab eine Genehmigung durch die Kasse einholen. Angesichts der hohen Preise ist es ein unternehmerisches Risiko, Ware zu importieren, die dann nicht erstattet wird, weil das Originalprodukt plötzlich wieder lieferbar ist.

Zudem kann laut Ministerium der oder die abgebende Apotheker:in für aufgrund der Anwendung dieses Arzneimittels entstandene Schäden haftbar gemacht werden, da die Gefährdungshaftung des Herstellers in diesem Fall nicht greift. „Daher muss der/die Apotheker/in Qualität und Identität des Arzneimittels garantieren sowie Arzt und Patient über ein bekanntes Risiko informieren.“

Ministerin besucht Apotheke

Laut Sozialministerin Petra Köpping (SPD) legt Sachsen als Konsequenz der Engpässe an Arzneimitteln das Apothekenrecht großzügig aus. Die Möglichkeit zum Tausch etwa sei eine wichtige Hilfe, weil die Nachfrage regional verschieden sein könne, sagte sie Anfang Februar im Landtag.

Ende Januar hatte Köpping die Löwen-Apotheke im Pösnapark in Großpösna bei Leipzig besucht und sich dabei über das Ausmaß der Engpässe informiert. „Egal ob Antibiotika, Blutdruckmedikamente oder Arzneimittel zur Behandlung von Tumorerkrankungen – jeder Engpass ist einer zu viel und für die betroffenen Patientinnen und Patienten oftmals ein großer Grund zur Sorge. Wir müssen hier unbedingt klug und schnell gegensteuern!“ Auch wenn die grundlegenden Lösungen auf Ebene der Bundesregierung beziehungsweise der EU gefunden werden müssten, dürfe Sachsen nicht untätig bleiben.

Bei der Kammer hofft man nun, dass die Lockerungen von der Aufsicht berücksichtigt und in den Apotheken umgesetzt werden.

Allgemeinverfügung gefordert

Weil ihnen Lauterbachs Ankündigungen nicht weit genug gingen, hatten die Präsidenten der Ärztekammer, der Zahnärztekammer sowie der Apothekerkammer Köpping im Dezember zum raschen Handeln aufgefordert. Die Heilberufe forderten den Erlass von Allgemeinverfügungen der zuständigen sächsischen Überwachungsbehörde, um die Verfügbarkeit von dringend benötigten Arzneimitteln für die Patientenversorgung zu erleichtern.

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