Bald stehen die Booster-Impfungen an

Droht das nächste Impfchaos?

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Berlin -

Aktuell weiß noch kein Hersteller ganz genau, ob und wann gegen Corona nachgeimpft werden muss. Biontech und Moderna halten für ihre mRNA-Impfstoffe eine dritte Dosis für wahrscheinlich – die soll dann auch effektiv gegen Mutationen wirken. Während viele Menschen noch gar nicht geimpft sind, stünden demnach für die über 80-Jährigen also bald die ersten Auffrischimpfungen an. So könnte im Sommer ein enormer Druck auf das bestehende System entstehen.

Ende Dezember wurden die ersten Alten- und Pflegeheimbewohner:innen mit Comirnaty (Biontech) gegen Sars-CoV-2 geimpft. Geht man – nach aktuellem Kenntnisstand – davon aus, dass nach rund einem halben Jahr die ersten Auffrischungsimpfungen anstehen, so müssten die mobilen Teams Ende Juni erneut ausrücken, um die Booster zu verteilen.

Zwar zeigten Ergebnisse der laufenden Phase-III-Studie von Biontech, dass die Effektivität gegenüber Mutationen bis zu sechs Monate anhält. Der Hersteller geht dennoch davon aus, dass nachgeimpft werden muss. Albert Bourla; CEO des US-Partners Pfizer, gab unlängst zu Protokoll: Eine dritte Dosis binnen sechs bis zwölf Monaten sei ein „wahrscheinliches Szenario“. Danach müsste es dann jährliche Auffrischungsimppfungen geben, sagte er gegenüber dem US-Sender CNBC.

Einen konkreten Ablauf für diese Auffrischungsimpfungen gibt es aktuell nicht. Immer noch stehen nicht alle Impfstoffe in ausreichender Zahl zur Verfügung, sodass der zusätzliche Bedarf an Booster-Dosen nicht sicher abgedeckt werden kann. Um Auffrischungs- oder generell Folgeimpfungen in Alten- und Pflegeheimen dauerhaft möglich zu machen, muss ein Fahrplan erarbeitet werden, wie die Bewohner:inne auch ohne mobile Teams erreicht werden können. Die Impfzentren sollen in einigen Bundesländern bis Ende des Sommers bestehen, andere Länder versuchen schon jetzt, mehr und mehr auf die Hausarztpraxen zu setzen.

Die Amtsärzte warnen vor einem Impfstoffchaos im Sommer. Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Amtsärzte, findet klare Worte: „Von Seiten der Politik höre ich diesbezüglich aber keinerlei Vorschläge, wie das organisiert werden sollte. Es scheint vielmehr, als liefe sie planlos in eine solche Situation hinein.“

Teichert bezieht sich auf die aktuelle Studienlage, dass eine Auffrischimpfung oftmals nach sechs Monaten erfolgen sollte. Darüber hinaus verweist sie auf Großbritannien – dort werde schon mit den zusätzlichen Immunisierungen geplant. Im September sollen zunächst alle über 70-Jährigen die dritte Spritze erhalten. Auch Ärzt:innen und Pfleger:innen sollen schnellstmöglich einen Bosster erhalten.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) verweist darauf, dass die Frage der Notwendigkeit etwaiger Auffrischungsimpfungen aktuell noch Gegenstand klinischer Studien sei. „Die Dauer der Immunität ist ebenfalls noch Gegenstand von Untersuchungen. Es gibt noch kein immunologisches Korrelat für einen Schutz vor einer Sars-CoV-2-Infektion oder schwerem Covid-19 und ein Schwellenwert für einen Schutz ist nicht bekannt. Schutzkorrelate können ein wesentliches Kriterium sein, um die Erforderlichkeit von Auffrischungsimpfungen bestimmen zu können“, so eine Sprecherin des BMG.

Berücksichtigt werden müsste auch die geplante Impfkampagne für 12- bis 16-Jährige. Nach Kanada und den USA dürfte auch Europa demnächst Comirnaty für diese Altersgruppe freigeben, sodass es bundesweite Impfungen in Schulen geben könnte. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Impfungen für Jugendliche nach dem Sommerferien in Aussicht gestellt, um den Präsenzunterricht im neuen Schuljahr zu sichern – die AHA-Regeln müssten bis zur vollständigen Immunisierung selbstverständlich weiter befolgt werden.

Und schließlich: Im Juni soll es zur allgemeinen Aufhebung der Impfpriorisierung kommen. Der Wegfall der Reihenfolge könnte einen erneuten Ansturm auf die mRNA-Impfstoffe von Biontech, Moderna und hoffentlich bald auch Curevac auslösen.

Aber wer braucht wirklich eine neue Dosis? Das könnte mittels Antikörpertest beim Arzt bestimmt werden. Auch Menschen, die eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, könnten getestet werden. Unter Umständen könnten so die Impfintervalle verlängert und Impfdosen eingespart werden. Darüber hinaus plädieren viele Mediziner:innen und auch der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) generell für einen vermehrten Einsatz der Antikörpertests – so ließe sich auch mehr über das epidemiologische Geschehen erfassen.

 

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