Apothekenbetriebsordnung

Keine Kundenreisen für Apotheken

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Berlin -

Reinhard Rokitta verreist gerne mit den Kunden seiner Punkt-Apotheke, erst vor Kurzem war er wieder auf Fahrt. Dass er die Ausflüge umsonst bekommt, weil er für den Veranstalter als Reisebegleiter die Gäste betreut, störte die Aufsichtsbehörde nicht. Dass er aber in seiner Offizin im nordrhein-westfälischen Bünde für das Angebot warb, ging zu weit. Das Verwaltungsgericht Minden (VG) untersagte dem Apotheker diese Form der Dienstleistung, da sie nicht apothekenüblich sei.

Seit 1990 hatte die Kaufmannschaft der Stadt zu Weihnachten Tagesausflüge verlost, teilweise waren 20 Busse im Einsatz. Als nach 15 Jahren Schluss war, wollte Rokitta gerne im Alleingang weitermachen. Immerhin ist er seit 1980 mit der Apotheke vor Ort und in der Bevölkerung eine feste Größe. Er erzählte einem befreundeten Reiseveranstalter aus Dachau davon – ab 2005 gab es die Kundenreisen.

Vor dem Eingang zu seiner Apotheke legte Rokitta Flyer aus, außerdem stellte er einen Plakataufsteller auf. Seinen Kunden überreichte er in der Apotheke außerdem das monatlich erscheinende „1. Bünder Gesundheitsmagazin“. Schon auf dem Titelblatt des von ihm erstellten Magazins hieß es: „Reisen mit persönlicher Note – mit Ihrem Apotheker Reinhard Rokitta“. Ähnliche Anzeigen für die Kundenreisen gab es in Regionalzeitungen und im Internet.

Für weitere Informationen und Buchungen zu „Apotheker Rokittas Reisen“ wurde auf die Punkt-Apotheke verwiesen. Tatsächlich wurden dort Nachfragen von Kunden beantwortet, Anmeldeformulare ausgefüllt und an den Veranstalter weitergeleitet. Mit der Organisation der Reisen habe er aber nie etwas zu tun gehabt und auch kein Geld bekommen, sagt der Apotheker.

Nach neun Jahren forderte der Kreis Herford den Apotheker im August 2014 plötzlich auf, „seine nebenberuflichen Tätigkeiten nachvollziehbar unabhängig von den Apothekengeschäften zu führen“. Rokitta ließ über seinen Anwalt ausrichten, dass er keine Kundenreisen vertreibe, sie nicht durchführe und auch nicht initiiere. Er fungiere lediglich als Reisebegleiter und betreue seine Kunden unter dem Gesichtspunkt der Kundenpflege. Eine wie auch immer geartete gewerbliche Tätigkeit sei damit nicht verbunden.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Per Ordnungsverfügung wurde er aufgefordert, die Bewerbung, Beratung und Vermittlung von Kundenreisen in den Apothekenbetriebsräumen zu unterlassen. Außerdem sollte er 600 Euro Bußgeld zahlen. Rokitta wollte den Fall gerichtlich geklärt wissen und klagte gegen Bescheid: „In allen anderen Branchen ist nur das verboten, was nicht erlaubt ist. Bei uns ist es anders herum: Alles, was nicht explizit erlaubt ist, ist automatisch verboten.“

Der Ausgang war nicht überraschend: Kundenreisen seien reine Vergnügungsreisen ohne Gesundheitsbezug. Bewerbung und Vermittlung stellten daher keine apothekenüblichen Dienstleistungen dar – und entsprechend nach Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) unzulässig. Dabei spiele es auch keine Rolle, ob sie entgeltlich erbracht würden – auch die Beratung sei nicht selten unentgeltlich beziehungsweise werde mit dem Verkaufsgeschäft abgegolten, heißt es im Urteil.

Die Einschränkung des zulässigen Sortiments solle verhindern, dass Apotheker ihren gesetzlichen Auftrag der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten vernachlässigten und sich übermäßig einem Nebensortiment beziehungsweise Nebendienstleistungen widmeten, heißt es im Urteil. Dadurch solle der Gefahr begegnet werden, dass sich „die Apotheke zu einem ‚Drugstore‘, einem Kosmetikstudio, oder – wie hier – zu einem Reisebüro entwickelt“.

Aus Sicht der Richterin macht es auch keinen Unterschied, ob die Waren oder Dienstleistungen in den Apothekenbetriebsräumen oder unmittelbar davor angeboten werden. „Auch ein Angebot apotheken(un)üblicher Waren und Dienstleistungen unmittelbar vor dem Eingang zur Apotheke kann dazu führen, dass der Vorrang der Arzneimittelversorgung beeinträchtigt wird, und weist einen hinreichenden räumlichen Zusammenhang zu den Apothekenbetriebsräumen selbst auf.“

Weiter streiten will Rokitta nicht, zumal er sein Angebot ohnehin schon vor zwei Jahren angepasst hat: Aus den Kundenreisen wurde der Busreisen-Club. In den Prospekten wurde nicht mehr mit dem Apotheker, sondern mit der Privatperson samt Ehefrau geworben. Außerdem wurde die Privatadresse hinterlegt.

Verstehen kann er nicht, dass der soziale Aspekt der Reisen überhaupt nicht berücksichtigt wurde. „Wir verreisen viel mit alleinstehenden Menschen, denen der Arzt zu einem Tapetenwechsel geraten hat. Das ist doch Betreuung im besten Sinne.“

40 Mal war der Apotheker mit seiner Frau in den vergangenen Jahren mit Menschen aus Münde unterwegs: Berlin, Brüssel, Paris, Prag, London, aber auch Rügen, Heidelberg und der Gardasee wurden bereits angesteuert. Stets war der Bus voll, alle 50 Plätze waren ausgebucht. Ende November ging es für drei Tage nach Bamberg. Die nächste Reise steht für März an. Dann soll es wieder einmal nach Berlin gehen.

Gab es früher häufig berufsrechtliche Auseinandersetzungen über das Produkt- und Leistungsangebot der Apotheken, ist es seit Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ruhiger geworden. Welche Produkte mit Gesundheitsbezug zulässig sind, ist abschließend geklärt. Zur Liste gehören Medizinprodukte, die nicht der Apothekenpflicht unterliegen, Mittel sowie Gegenstände und Informationsträger, die der Gesundheit von Menschen und Tieren unmittelbar dienen oder diese fördern, Mittel zur Körperpflege, Prüfmittel, Chemikalien, Reagenzien, Laborbedarf, Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel sowie Mittel zur Aufzucht von Tieren.

Als apothekenüblich gelten Dienstleistungen, die der Gesundheit von Menschen oder Tieren dienen oder diese fördern. Exemplarisch werden aufgeführt die Beratung in Gesundheits- und Ernährungsfragen, im Bereich Gesundheitserziehung und -aufklärung, zu Vorsorgemaßnahmen und über Medizinprodukte sowie die Durchführung von einfachen Gesundheitstests, das patientenindividuelle Anpassen von Medizinprodukten sowie die Vermittlung von gesundheitsbezogenen Informationen.

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