Integrierte Versorgung

TK setzt auf MVZ-Kette

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Berlin -

Konzerne drängen auf den Gesundheitsmarkt, nicht nur im Apothekenbereich: Nachdem Klinik-Ketten bereits ihren Siegeszug angetreten haben, treiben branchenfremde Kapitalgeber nun auch niedergelassene Ärzte in die Enge - politisch gewollt und von den Krankenkassen unterstützt. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) könnten die ärztliche Betreuung in Deutschland grundlegend verändern.

In den vergangenen Wochen haben Berliner Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK) ein Schreiben erhalten, in dem für ein neues MVZ der Marke „Atriomed“ geworben wird - „einen weiteren Meilenstein in der Intergrierten Versorgung“. Die Kasse verspricht kurze Warte- und erweiterte Öffnungszeiten, eine schnelle Terminvergabe und andere Vorteile, die offenbar mit niedergelassenen Medizinern bislang nicht auszuhandeln waren.

Was von einigen Mitbewerbern primär als Marketing-Aktion gesehen wird, ist ein illustres Beispiel, wie Kassen mit Selektivverträgen in der ambulanten Versorgung Kapitalgesellschaften den Teppich ausrollen. Seit 2007 kooperiert die TK über integrierte Versorgungsverträge mit Atriomed. Betreiber der MVZ-Kette mit Standorten in Köln, Hamburg, Leipzig und Berlin ist ein Unternehmen namens HCM Health Care Managers GmbH. Dessen Muttergesellschaft sitzt in Luxemburg; von da aus führt die Spur ins schweizerische Pfäffikon, Steuerparadies und internationale Finanzdrehscheibe am Züricher See.

Bei der TK scheint man mit dieser Art der Unternehmenskonstruktion keine Schwierigkeiten zu haben. Man sei lange auf der Suche nach einem geeigneten Kooperationspartner für das Konzept gewesen; mit der Firma HCM habe man den richtigen Betreiber gefunden, lobte TK-Chef Professor Dr. Norbert Klusen bei der Eröffnung in Berlin. Dass dieser Service nur in den bislang vier Atriomed-Zentren möglich ist, stört dabei nicht. Man verstehe sich aufgrund der Versichertenstruktur als „Ballungsraumkasse“, insofern sei die Partnerschaft mit Atriomed vorerst nur auf Großstädte beschränkt, so Klusen.

Wie genau das Konzept der Kasse im Hinblick auf die Finanzierung aussieht und welche Gelder von der TK an die Betreibergesellschaft fließen, wollte Klusen auf Nachfrage nicht erklären. Die umfangreichen Serviceleistungen und versprochenen Garantien würden gegenüber dem Betreiber finanziell vergütet, so der TK-Chef. Zur Höhe der finanziellen Unterstützung macht die Kasse keine Angaben.

Auch bei HCM gibt man sich zur Rolle der TK zurückhaltend. Die Kasse halte keine Anteile an der Holding, erklärte ein Unternehmenssprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC. Alleiniger Gesellschafter sei Geschäftsführer Andreas Heyer.

Dies halten Beobachter für zweifelhaft, zumal der Name Heyer in der Branche weitgehend unbekannt ist. Der Kaufmann hatte erst vor einem Jahr mit HCM das Zepter bei Atriomed übernommen. Zuvor hatte unter dem Firmennamen Rehasan der Kölner Unternehmensberater Olav Skowronnek die ersten beiden MVZ in Bonn und Köln eröffnet. Gründungspartner war im Jahr 2006 unter anderem ein Radiologe mit Praxissitz in direkter Nachbarschaft zum Bonner MVZ.

Die Kooperation der TK mit HCM könnte weiter Fahrt aufnehmen. Weitere Atriomed-Standorte sind derzeit in München, Nürnberg, Frankfurt, Hannover, Essen und Stuttgart geplant. Bis Ende des Jahres könnte sich Atriomed so auf bundesweit zehn Filialen ausdehnen; die Kasse will die Expansion tatkräftig unterstützen.

Bei den Ärzten stößt das Vorgehen der MVZ-Kette dagegen auf Kritik: Man sei „alles andere als glücklich über diese Einrichtung“, ließ die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hamburg vor Eröffnung des Atriomed im letzten Jahr wissen. Der finanzstarke Betreiber habe im Vorfeld ohne Rücksicht auf örtliche Versorgungsnotwendigkeiten Praxissitze aufgekauft, beklagte die KV Hamburg.

Aus der Hauptstadt kommen ähnliche Töne, denn die Kritik der KV Berlin richtet sich ebenfalls gegen die Zulassungskäufe. Zudem sehe man in der Eröffnung des Atriomed keine Verbesserung der ambulanten Versorgung, sagte eine Sprecherin der KV Berlin gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Auch auf Bundesebene werden Vorbehalte lauter: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert angesichts der ungleichen Wettbewerbsbedingungen ein Fremdbesitzverbot für MVZ: Kapitalgesellschaften sollen als Träger gesetzlich ausgeschlossen werden; Ärzte, die Gesellschafter sind, sollen auch selbst im MVZ tätig sein. Dafür könnte es aber schon zu spät sein.

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