Seit 14 Jahren gilt das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) für die Bewertung des Zusatznutzens für Therapieinnovationen. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) weist in einer Analyse zu den jüngsten Marktentwicklungen unter anderem auf die Stärken und Schwächen des AMNOG hin.
Laut den AMNOG-Daten des Branchenverbandes sind rund die Hälfte aller Erstbewertungsverfahren ohne Zusatznutzen – häufig aus methodischen oder formalen Gründen, da vorliegende Daten gar nicht ausgewertet worden. 922 Nutzenbewertungsverfahren wurden bis Ende 2023 abgeschlossen, darunter 802 Erstbewertungen und 120 erneute Bewertungen.
Bei Erstbewertungen bekam der Wirkstoff in der Hälfte der Verfahren einen Zusatznutzen zugeschrieben. Zudem wurden bis Ende 2023 nach erfolgter Zulassung 49 Therapien wieder zurückgezogen – 45 davon nach Abschluss des Preisfindungsprozesses (AMNOG-Verfahrens). Kommen neue Arzneimittel, sind diese gut verfügbar: 88 Prozent der zwischen 2019 und 2022 in der EU eingeführten Arzneimittel seien in Deutschland verfügbar, so der BPI. Nach durchschnittlich 126 Tagen werde das Arzneimittel erstattet, was im EU-Vergleich schnell sei.
In der Praxis sei das AMNOG bewährt, laut den Autoren der Studie laufe die Nutzenbewertung und Preisfindung aber „noch immer nicht ganz rund“. Es gelte, nachhaltig Konstruktionsmängel zu beseitigen, um neuen Herausforderungen gewachsen zu sein. Dazu sei auch nötig, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen stabil aufzustellen.
Das nun in Kraft getretene Medizinforschungsgesetz (MFG) stelle durch gezielte Ausnahmeregelungen Verhandlungsspielräume bei der Preisfindung wieder her. Die „AMNOG-Leitplanken“, laut denen ein neues Arzneimittel in bestimmten Fällen trotz eines nachgewiesenen Zusatznutzens nicht mehr als die Vergleichstherapie kosten darf, wurden wieder gelockert. Diese Lockerungen gelten jedoch nur für Arzneimittel, bei denen ein relevanter Anteil der klinischen Studien in Deutschland durchgeführt wird. Durch die AMNOG-Leitplanken werde „der Zusatznutzen, der als preisbestimmende Determinante generell im AMNOG-Verfahren fungieren sollte, deutlich entwertet“, so die Autoren.
Am 12. Januar startet zudem die europäische Nutzenbewertung (EU-HTA), womit eine gemeinsame klinische Bewertung für neue Arzneimittel EU-weit eingeführt wird und auch die deutsche Zusatznutzenbewertung stehe dadurch vor neuen Herausforderungen. „Da die europäische Nutzenbewertung Kompetenzen bündeln und kompakte Verfahren praktizieren kann, ist sie ein durchaus vielversprechender Schritt. Die Praxis der EU-HTA muss dann beweisen, dass ein so anspruchsvolles Projekt für die derzeit 27 Mitgliedstaaten der EU effektiv funktioniert und den beträchtlichen Regulierungsaufwand wert ist“, betonen die Autoren. Im Bestfall reduziere diese Neuerung den Aufwand.
Das MFG werde erst im Laufe dieses Jahres volle Wirkung entfalten; die neue Bundesregierung müsse dies bei Entscheidungen im Blick haben, mahnt Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland. Man habe immer positiv hervorgehoben, „dass wichtige Regelung des Gesetzes klar erkennbar im Sinne der Pharmastrategie der Bundesregierung gestaltet sind. Wir erwarten von der zukünftigen Bundesregierung, dass dieser Weg fortgesetzt wird und zukünftige gesundheitspolitische Entscheidungen auch mit Blick darauf getroffen werden, den Pharmastandort Deutschland nicht weiter zu schwächen, sondern stärker zu machen“, so Brakmann.
Der nach eigenen Angaben mitgliederstärkste Branchenverband befürchtet mit der EU-HTA zudem eine Verdopplung des bürokratischen Aufwandes, auch wenn die Harmonisierung grundsätzlich zu begrüßen sei. „Das Erreichen der ambitionierten Ziele der EU-HTA ist derzeit kaum absehbar“, so Brakmann. „Zwar hat das Bundesministerium für Gesundheit Vorschläge zur Änderung der Arzneimittelnutzenverordnung eingebracht, die den europäischen Prozess besser mit dem nationalen AMNOG-Verfahren verzahnen sollen. Dennoch fehlt es weiterhin an klaren Regelungen für die inhaltliche Abstimmung.“
„Der Aufwand für die pharmazeutische Industrie muss praktikabel bleiben. Die Vielzahl an Anforderungen der Mitgliedsstaaten und die fehlende Einbindung der Industrie stellen erheblichen bürokratische Aufwand dar“, sagt Brakmann weiter. Klare europäische Beratungsmöglichkeiten gebe es nicht und auch keine Informationen, wie die Ergebnisse der EU-HTA in nationale Bewertungsverfahren integriert werden sollen. Pharma Deutschland fordert daher von der Politik grundlegende Klarstellungen und eine verlässliche Planbarkeit bezüglich der Verwendung der europäischen Unterlagen im AMNOG.
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