„Keine Mittagspausen, nie Betriebsferien“

Seyfarth: Apotheken prädestiniert für Impfkampagne

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Berlin -

Auch wenn sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag reserviert zeigte, signalisiert die Apothekerschaft weiterhin die Bereitschaft, sich an Corona-Impfungen zu beteiligen. Nun betont der hessische Verbandschef Holger Seyfarth gegenüber Spahns Vorbehalten, dass die Apotheken sehr wohl qualifiziert und in der Lage wären, selbst Impfungen gegen Covid-19 zu verabreichen – nicht zuletzt aufgrund ihrer Erfahrungen in der Impfstoffverteilung.

Seit die Impfkampagne aus den Zentren in die flächendeckende Versorgung überführt wurde, nimmt sie spürbar an Fahrt auf. Das liegt natürlich zu großen Teilen an der besseren Verfügbarkeit von Impfstoffen. Doch mit der könnte bald der nächste Engpass folgen: Wenn die Ärzte nicht mehr hinterherkommen. „Der Impfstart durch die Arztpraxen zeigt, wie effizient die Nutzung örtlicher Strukturen ist. Daher liegt es auf der Hand, die hervorragenden Strukturen der Apotheken vor Ort nutzen“, erklärt Seyfarth. Warenmanagement und Abrechnung seien komplett digitalisiert, was die Prozesse beschleunige. Die Nutzung dieser vorhandenen Strukturen könne demnach dazu beitragen, das Ziel einer Durchimpfung von rund 70 Prozent der Bevölkerung noch im Sommer zu erreichen.

Der Hessische Apothekerverband begrüße deshalb die politischen Forderungen, in den Apotheken vor Ort gegen Corona zu impfen. Unter anderem der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Schweriner Landtag hatte das gefordert, zuletzt deutete auch CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder an, dass in Apotheken geimpft werden solle – ließ aber offen, ob durch Apotheker oder Ärzte.

Die Apotheken böten jedenfalls gute Voraussetzungen, um in den nächsten Wochen barrierefrei und flächendeckend eine große Zahl an Menschen impfen zu können, so der Verband nun: Ohne Terminvergabe und leicht erreichbar gebe es in Hessen in fast jeder Gemeinde eine Apotheke, über 1400 insgesamt. Und die seien eine stets verfügbare Anlaufstelle in Gesundheitsfragen. „In den Apotheken gibt es oftmals keine Mittagspausen und nie Betriebsferien. Stattdessen können die Menschen rund um die Uhr in ihre Apotheke kommen, auch samstags“, so Seyfarth. Außerdem seien sie nicht nur verfügbar, sondern auch im Umgang mit Comirnaty, Vaxzevria und Co. erfahren. „Da die Apotheken die Arztpraxen bereits mit Impfstoffen versorgen, können sie leicht die hohen Qualitätsanforderungen an die Lagerung der Impfstoffe sicherstellen.“

Seyfarth erwarte deshalb von der Politik zügig entsprechende Regelungen, um den Weg für Impfungen in den Apotheken zu öffnen: „Impfungen sind der einzige Weg aus der Pandemie. In anderen Ländern sind sie längst Alltag in Apotheken. Die hessischen Apotheken können mehr Verantwortung für ihre Patienten übernehmen und – über die Verteilung von Masken und dem Angebot von Tests hinaus – sie vor dieser schrecklichen Erkrankung schützen.“

Dass es dazu allzu schnell kommt, ist allerdings unwahrscheinlich. Am Montag hatte Spahn Forderungen nach der Einbeziehung der Apotheker in die Impfkampagne eine vorläufige Absage erteilt. Erst wenn man in die Situation komme, dass die Ärzte es nicht mehr schafften, müsse man darüber nachdenken, wie man auch andere Heilberufler vorübergehend einbinden könne – dahingehend deckt sich Spahns Auffassung zwar noch mit den Äußerungen von Kammern und Verbänden. Allerdings: „Momentan sehe ich den Bedarf nicht, sodass wir weiter Erfahrungen aus den Modellprojekten zur Grippeimpfung sammeln.“ Spahn verwies auf die „sehr kontroverse“ Diskussion, die bereits darüber zwischen den Heilberufen entbrannt seien. „Bei den Corona-Impfungen gibt es derzeit ausreichend impfwillige Ärzt:innen, sowohl in den Praxen als auch in den Impfzentren“, so der. Minister.

Kritisch sei nach wie vor die Menge an Impfstoff, auch wenn es schon deutlich mehr sei und immer mehr werde – in dieser Woche erstmals drei Millionen Dosen. Vorerst wolle er es daher dabei belassen, dass nur Ärzt:innen impften, so Spahn. „Es geht auch nicht nur darum, wer den Stich setzt“, so Spahn mit Verweis auch auf Forderungen, Tier- und Zahnärzt:innen einzubeziehen. Auch die Anamnese und Aufklärung seien wichtig und dass die Impfungen durch Mediziner:innen begleitet und verantwortet würden. Gerade bei einer staatlichen Impfkampagne sei die Sicherheit sehr wichtig, zumal die Impfstoffe allesamt auch Nebenwirkungen hätten.

Zwar sollen Apotheker:innen zunächst nicht impfen, einen Impfnachweis sollen sie jedoch schon bald ausstellen dürfen. Denn im neuen Infektionsschutzgesetz ist vorgesehen, dass der digitale Impfausweis nicht nur in Impfzentren und Arztpraxen, sondern auch in Apotheken ausgehändigt werden soll.

 

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