Boykottverfahren

Kartellamt attackiert Journalisten

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Das Bundeskartellamt hat mit den Bußgeldbescheiden im Boykottverfahren Neuland betreten: Neben der ABDA, drei Landesapothekerverbänden und den jeweiligen Vorsitzenden hat das Kartellamt einen Journalisten abgemahnt. Die Behörde sieht durch das eigene Vorgehen die Verbands- und Pressefreiheit nicht beeinträchtigt. Allerdings haben weder der Deutsche Journalistenverband (DJV) noch der Deutsche Presserat nach eigenen Angaben je von einem vergleichbaren Fall gehört.

Konkret geht es um verschiedene Beiträge in der von der ABDA herausgegeben „Pharmazeutischen Zeitung“ (PZ). Dabei beanstandet das Kartellamt nicht nur in der PZ veröffentlichte vermeintliche Boykottaufrufe von Verbandsfunktionären, sondern auch fünf journalistische Beiträge. Der ehemalige Leiter des Wirtschaftsressorts, Thomas Bellartz, soll mit einem Kommentar, zwei Editorials und zwei Artikeln ebenfalls zum Boykott des Pharmagroßhändlers Gehe aufgerufen haben. Das Kartellamt maß den Äußerungen des Journalisten „stark suggestiven Charakter“ bei.

Dass Bellartz keineswegs ausdrücklich zum einem Boykott aufgerufen hat, ist aus Sicht des Kartellamts zweitrangig: „Entscheidend ist, dass die Apotheker in den vorgeworfenen Äußerungen eine Aufforderung zur Sperre sehen mussten.“ Hierbei sei auch zu berücksichtigen, „dass Apotheker traditionell auf lokaler Ebene relativ enge Kontakte etwa im Rahmen von 'Apotheker-Stammtischen' pflegen, so dass mit einer Solidarisierung der Apothekerschaft im Sinne eines gemeinsamen Vorgehens gerechnet werden konnte“.

Das Kartellamt unterscheidet bei seiner Bewertung zwischen Standes- und Wirtschaftspresse: „Entsprechende rhetorische Fragen in der allgemeinen Wirtschaftspresse würden den Tatbestand des Boykottaufrufs nicht ohne weiteres erfüllen.“ Die Zielrichtung der PZ liege aber „gerade auch in der Beeinflussung der Willensentscheidungen von Apothekern im wirtschaftlichen Bereich“.

Beim Presserat, der Freiwilligen Selbstkontrolle der deutschen Presse, stößt der Fall auf Befremden: „Selbst wenn es einen Boykottaufruf gegeben hat, ist das eine Meinungsäußerung. Ich wüsste nicht, wie man dagegen vorgehen sollte“, sagte ein Mitglied gegenüber APOTHEKE ADHOC.

„Es wird immer mal wieder versucht, Druck auf Journalisten auszuüben“, sagte eine Sprecherin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Zur Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz persönlicher Interessen gebe es sehr unterschiedliche Urteile. Das Kartellamt hat nach Kenntnis des DJV jedenfalls noch nie einem Journalisten einen Boykottaufruf unterstellt.

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