Kommentar

Grippeimpfstoffe: Mehr Chaos als Kostenersparnis

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Berlin -

Schlechter konnte es fast nicht laufen. Bei der Ausschreibung der Grippeimpfstoffe in diesem Jahr ging letztendlich fast alles schief. Bereits Mitte September war klar, der Ausschreibungsgewinner Novartis kann für die Bundesländer Bayern, Hamburg und Schleswig-Holstein Begripal nicht rechtzeitig liefern. Doch weder die Krankenkassen noch der Hersteller selbst informierten Apotheker, Ärzte und Patienten über mögliche Lieferengpässe. Gründe für die Verzögerung wurden auf Nachfrage ebenfalls nur zögerlich angegeben. Die verzögerte Freigabe der Stammzusammensetzung durch die WHO sei schuld gewesen, hieß es zunächst bei der AOK Bayern. Andere Grippeimpfstoff-Hersteller konnten allerdings trotzdem rechtzeitig liefern.

Da die Grippeimpfstoffhersteller bereits lange vor der Produktion den Bedarf abfragen und die Produktionsmengen entsprechend anpassen, fehlte es schnell an Alternativen. Als Novartis endlich liefern konnte, rief das Paul-Ehrlich-Institut mehrere Chargen von Begripal und Fluad zurück.

Die Frage bleibt nun, wieso Krankenkassen überhaupt ein Arzneimittel exklusiv ausschreiben, dessen Produktion sehr sensibel von verschiedensten Faktoren abhängig ist. So ist zum Beispiel allein die Produktion der sterilen Eier sehr zeitaufwendig: Fällt eine Charge aus, kann es schnell zur Verzögerung für mehrere Wochen bei der Impfstoffbereitstellung kommen.

Zusätzlich muss jede einzelne Charge erst vom Paul-Ehrlich-Institut geprüft und freigegeben werden, bevor der Impfstoff auf den Markt gebracht werden darf. Rückrufe können die Liefermenge ebenfalls kurzfristig stark einschränken.

Den Kassen scheinen diese Fakten wenig geläufig zu sein. Vertrauen sie trotz des sensiblen Arzneimittels auf einen einzelnen Vertragspartner oder lange Lieferwege bei denen es im vergangenen Jahr auch schon zur Unterbrechung der Kühlpflicht gekommen sein soll.

Die zusätzlichen Kosten für Logistik und Beratungsleistung der Apotheker und Ärzte bleiben den Kassen wie immer erspart. Aber wozu aufregen. Schließlich sind die Pharmazeuten bereits geübt: Lieferprobleme bei Rabattpartnern gehören zum täglichen Irrsinn in jeder Apotheker.

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