Defektnachweis bis Inflationsausgleich

Engpässe: Bundesrat will Apotheken stärken

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Berlin -

Während das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit vergleichsweise schlichten Maßnahmen auf die Lieferengpässe reagieren will, macht der Gesundheitsausschuss im Bundesrat in seiner Beschlussempfehlung zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) ganz konkrete Vorschläge, um die Probleme abzumildern.

Zwei Abfragen – pro Tag

Beispiel Defektnachweise. Zum Austausch sollen Apotheken laut Kabinettsentwurf „zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen“ durchführen. Das ist laut Gesundheitsausschuss im Bundesrat überzogen: „Eine Abfrage je Patientin beziehungsweise Patient bringt keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, führt aber zu Verzögerungen in der Versorgung und erzeugt insbesondere bei häufig verordneten und von Lieferengpässen betroffenen Arzneimitteln für zusätzlichen, unnötigen bürokratischen Aufwand“, heißt es in der Beschlussempfehlung für das Plenum. Daher sollen nur „zwei täglich einmalig durchzuführende Verfügbarkeitsanfragen“ durchgeführt werden.

Weil es selbst dann noch zu einer „unverhältnismäßig hohen bürokratischen Belastung für Apotheken und Großhandel“ kommen kann, sollte die Regelung nach sechs Monaten auf ihre praktische Umsetzbarkeit hin geprüft werden. Am besten sollte dann auch auf ein digitales Verfahren umgestellt werden, so dass die Verfügbarkeit beim Großhandel direkt im Warenwirtschaftssystem hinterlegt wird. „Dieses Verfahren nutzt die zur Verfügung stehenden digitalen Informationsmöglichkeiten, dient dem Bürokratieabbau und letztlich einer reibungsloseren Patientenversorgung.“

Keine Retax bei Austausch

So wie bislang sollte beim Austausch eine Retaxation gesetzlich ausgeschlossen sein: „Apotheken benötigen für diesen Austauschprozess Rechtssicherheit und zuverlässige Rahmenbedingungen. Insoweit dient der Ausschluss von Beanstandungen und Retaxationen, die nicht selten erst nach vielen Monaten erfolgen und wenig transparent sind, in den Fällen des Austausches wegen Nichtverfügbarkeit eines verordneten Arzneimittels der gesetzlichen Klarstellung und Präzisierung.“

Generell soll es keine Nullretaxationen mehr geben, denn durch sie würden Apotheken „über Gebühr benachteiligt und damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung insgesamt bedroht“. Vorschlag der Gesundheitsexperten der Länderkammer: „Die Höhe einer zulässigen Beanstandung darf bei Wirkstoff- und Dosierungsäquivalenz die preisliche Differenz zwischen dem abgegebenen und dem nach Maßgabe des Rahmenvertrages abzugebenden Arzneimittel nicht überschreiten.“

Inflations- und Mehrkostenausgleich

Außerdem soll die Bundesregierung aufgefordert werden, „die Vergütung der Apotheken insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Energiekosten sowie der Inflation auf eine auskömmliche Grundlage zu stellen, um die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung auch zukünftig dauerhaft zu sichern“. Hierzu sei es einerseits erforderlich, die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung entsprechend anzupassen. Andererseits sollten „Anpassungsmechanismen für sich ändernde Rahmenbedingungen“ wie Inflation oder Lohnkostensteigerungen geschaffen und „Apotheken in Regionen mit drohender Unterversorgung gezielt gestärkt werden“.

„Die Bundesregierung wird gebeten, gemeinsam mit den Ländern neue Finanzierungskonzepte für Apotheken zu erarbeiten, die insbesondere die flächendeckende Arzneimittelversorgung im Fokus haben“, heißt es.

Auch bei der Engpass-Prämie soll nachgebessert werden: „Aus Sicht des Bundesrates greift die Ausgestaltung der geringfügigen, pauschalen und mit erheblichem Abrechnungs- und Dokumentationsaufwand verbundenen Vergütung für die Aufwendungen von Apotheken im Zusammenhang mit Arzneimittelrisiken, zu kurz.“ Die geplante Aufwandsentschädigung in Höhe von 50 Cent decke die zusätzlichen Kosten der Apotheken nicht ab. „Der Bundesrat fordert daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren diesen Betrag fakten- und evidenzbasiert anzuheben, um den zusätzlichen Arbeitsaufwand für Apotheken realistisch zu kompensieren.“

Streichung der Präqualifizierung

Ein weiterer Punkt ist die Abschaffung der Präqualifizierung für die Hilfsmittelversorgung. Apotheken unterlägen der staatlichen Überwachung; über die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) seien hohe räumliche und sachliche Voraussetzungen zu erfüllen. Daher führe die Präqualifizierung zu einer „nicht erforderlichen Doppelregulierung und unnötigen Bürokratie, ohne damit einen Mehrwert zu einer sichereren oder qualitativ höherwertigeren Patientenversorgung zu leisten“. Dabei würden Fachkräfte gebunden, die in der Versorgung dringend benötigt werden.

Statt zu mehr Qualität führe die Präqualifizierung dazu, dass ein Teil der Apotheken aus Ressourcengründen auf die Abgabe von apothekenüblichen Hilfsmitteln verzichte. „Speziell in ländlichen Gebieten, in denen es keine alternativen Abgabestellen für Hilfsmittel, wie zum Beispiel Sanitätshäuser, gibt, ist eine erschwerte Versorgung von Patientinnen und Patienten die Folge.“

Defektur und Depots

Auf akute Notlagen sollen Apotheken schneller reagieren können: „Beispielsweise bedarf es weiterer Erleichterungen bei Austausch auch zwischen (Krankenhaus-)Apotheken und bei der Erstellung von Defekturen.“

Zusätzlich soll die Errichtung und Vorhaltung von zentralen Arzneimitteldepots zum Beispiel mit rotierendem Verbrauch auf Bundesebene geprüft werden. „Ziel ist, im Sinne der Sicherung der dauerhaften Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln die mehrmonatige Lagerhaltung und die erhöhten Bevorratungspflichten für krankenhausversorgende Apotheken und Krankenhausapotheken zu ergänzen.“

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