ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Ein Grinch als Minister

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Berlin -

Die Apotheken verdienen offenbar kein friedliches Weihnachten, jedenfalls ist „Advent“ in ihrem Fall seit Jahren immer wieder als „Ankunft“ von eher unschönen Veränderungen zu verstehen. Aktuelles Beispiel ist das Reformprojekt von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Es gibt ihn, den Grinch, der den Apotheken das Weihnachtsfest versaut. Allerdings hatte er in den vergangenen Jahren verschiedene Gesichter: 2014 war es Josef Hecken, der als Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wenige Tage vor den Feiertagen die Substitutionsausschussliste ohne jegliche Übergangsfrist scharf stellte. 2018 ließ der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Traum vom Rx-Versandverbot platzen. Immerhin legte er den Apotheken damals 375 Millionen Euro unter den Tannenbaum – wenngleich das in keinem Verhältnis zu den Beträgen steht, die sie jetzt durch das E-Rezept verlieren könnten.

Lauterbach spielt schon zum zweiten Mal die grüne Giftfigur. Im vergangenen Jahr versprach er den Apotheken einen ganzen Korb voller Geschenke, die sie in ihrem Kampf gegen Lieferengpässe einsetzen würden können. Dann ging er in die Ferien und ließ inbesondere die Kolleginnen und Kollegen im Notdienst ohne jede Unterstützung zurück. Erst im Januar tauchte er mit ein paar dünnen Lösungen wieder auf, der (immer noch halbgare) Gesetzentwurf ließ bis März auf sich warten. Typisch Grinch.

Reformgesetz unterm Tannenbaum

In diesem Jahr will er mit Eckpunkten für sein Apothekenreformgesetz die festliche Stimmung vermiesen. Unbeeindruckt von der breiten Kritik an seinen Light-Filialen und den massiven Zweifeln an seinen Plänen einer Honorarumverteilung will er sein Projekt umsetzen. Hinter verschlossenen Türen werden die letzten Details ausgehandelt; gestern etwa gab es ein Treffen mit den Gesundheitsexperten von Grünen und FDP, bei dem es auch um das Thema gegangen sein könnte.

Warum er die Sache auf derart perfide Art und Weise durchzieht? Weil er das Gesundheitswesen hasst, so wie es ist, und es deshalb nicht ertragen kann, dass die Menschen gut versorgt und dankbar sind. Grinch eben. Vor Kassenvertretern gab er in dieser Woche unverhohlen zu Protokoll, dass er die Strukturen im Gesundheitswesen verändern will. Was ihn stört und warum seine Ideen besser sein sollen, verriet er nicht. Er verfolge eben nicht den „klassischen deutschen Ansatz“, dass alles so bleiben müsse wie es ist. Basta.

Das könnte man als typisches Lauterbachsches Gebrabbel abtun, wenn die Folgen nicht so verheerend wären. Lauterbach hat nicht nur keine Ahnung, wie er sich von Ärzteseite unlängst bescheinigen lassen musste. Er hat auch keine Vision, die über Zerstörung und Veränderung hinaus gehen. Vor allem aber hat er weder das Charisma noch die Charakterstärke, die Betroffenen von seinen Ideen zu überzeugen und sie hinter sich zu versammeln. Er ist keine Integrationsfigur, sondern, genau, der Grinch.

Lauterbach mit Oberwasser

Das Ärgerlichste aber ist, dass er trotzdem Oberwasser hat. Das E-Rezept hat er zwar von seinem Vorgänger geerbt, aber anders als bei den Engpässen sagt er das nicht öffentlich. Seine beiden Digitalgesetze hat er eben noch durchs Parlament gebracht, sein aufstrebender Parteifreund Matthias Mieves bezeichnete ihn bei der Gelegenheit sogar als heimlichen Digitalminister der Bundesregierung.

So wird es wohl auf absehbare Zeit weitergehen. Die Digitalszene wird Lauterbach feiern, die Versender sowieso. Und wenn ihm – beziehungsweise seinen Beamten – noch ein Spargesetz gelingt, werden auch die Kassen wieder ihren Frieden mit ihm machen. Cannabis wird kommen, zwar spät und abgespeckt, aber immerhin überhaupt. Und auch bei der Klinikreform wird es irgendwie vorangehen. Die Apothekerschaft muss sich also darauf einstellen, dass Lauterbach seinen Stiefel vorerst weiter ungestört durchziehen kann. Auch die politische Großwetterlage gibt es nicht her, dass das Apothekenthema weiter nach oben rückt.

Weil aber bald Weihnachten ist, endet zumindest diese kurze Geschichte damit, dass der Grinch, so wie im Kinderbuch, noch rechtzeitig erkennt, dass die Apotheke ihm doch mehr bedeutet und dass sein viel zu kleines Herz wächst. Und nachdem er sich für seine Tat entschuldigt hat, wird er von der guten Gabriele eingeladen, mit ihm Weihnachten zu feiern. Schönen 3. Advent!

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