Sozialunternehmen statt Digitalagentur

BMG-Portal: Zuschlag für „Was hab’ ich?“

, Uhr
Berlin -

Auch nach dem Urteil des Landgerichts Bonn hält das Bundesgesundheitsministerium (BMG) an seinem Nationalen Gesundheitsportal (NGP) fest. Allerdings gibt es einen neuen Dienstleister: Für die Erstellung der redaktionellen Inhalte erhielt das Dresdner Sozialunternehmen „Was hab’ ich?“ den Zuschlag.

„Was hab‘ ich?“ hat die aktuelle Ausschreibung des BMG gewonnen und ist ab sofort mit der Aufbereitung und Bereitstellung der Inhalte für Gesund.bund.de betraut. Geschäftsführer Ansgar Jonietz sagte, man stehe voll hinter den Zielen, die das NGP verfolge: Alle Bürger:innen sollten von verständlich aufbereiteten und wissenschaftlich gesicherten Gesundheitsinformationen profitieren. „Ab sofort möchten wir dabei unterstützen, dass das NGP als verlässliche und sichere Quelle zu den wichtigsten Fragen rund um die eigene Gesundheit und das Gesundheitswesen von vielen Bürger:innen genutzt wird. Wir glauben, dass das einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der niedrigen Gesundheitskompetenz in Deutschland leisten wird.“

Hinter der gemeinnützigen GmbH steht ein gleichnamiger Verein, bei dem ehrenamtlich arbeitende Mediziner bereits seit 2011 Arztbefunde in einfache Sprache übersetzen. Unter anderem unterstützt „Was hab‘ ich?“ die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) seit 2021 inhaltlich-fachlich bei der Texterstellung im Rahmen der Kommunikation zum Infektionsschutz.

Laienverständliche Sprache

Für das NGP soll das Unternehmen seine Expertise insbesondere zur laienverständlichen Aufbereitung von Gesundheitsinformationen einbringen. Bereits seit Juni 2021 sind auf dem BMG-Portal mehr als 10.000 von „Was hab‘ ich?“ erstellte Erläuterungstexte zu ICD-Codes verfügbar. Für die inhaltliche Betreuung und Weiterentwicklung des Gesundheitsportals wird bei „Was hab‘ ich?“ ein interdisziplinäres Team aus Ärzt:innen, IT-Expert:innen, Gesundheits-, Kommunikations- und Sprachwissenschaftler:innen zuständig sein.

Das BMG hatte das Budget von drei Millionen Euro im März ausgeschrieben, insgesamt bewarben sich acht Unternehmen. Der Vertrag läuft zunächst für ein Jahr, kann aber seitens des Ministeriums jeweils für zwölf Monate bis 2027 verlängert werden. Für die technische Betreuung ist weiterhin die Digitalagentur Valid zuständig, die bislang auch den Content geliefert hat.

Staatliche Konkurrenz

An der rechtlichen Situation dürfte sich durch den neuen Dienstleister nichts ändern. Der Wort & Bild Verlag hatte in dem Angebot eine unzulässige Konkurrenz gesehen und geklagt. Das LG Bonn entschied in erster Instanz, dass das Portal unzulässig ist. Denn die große Mehrheit der eingestellten Artikel überschreite die Grenzen zulässigen staatlichen Informationshandelns. Laut Urteil hat es das BMG sogar darauf angelegt, privaten Angeboten Konkurrenz zu machen und deren Leser abzuwerben.

Und ganz so unabhängig wie behauptet sei das Portal auch wieder nicht. Während in der Rubrik „Pflege“ noch in zulässiger Weise über die Leistungen des Staates beziehungsweise der Pflegeversicherung informiert werde, verletze das BMG in der Rubrik „Gesundheit Digital“ die Pflicht des Staates zu neutralem und sachlichen Informationshandeln: „Die Beiträge zum E-Rezept und zum elektronischen Impfpass lassen eine differenzierte Darstellung vermissen. Kritisch zu beurteilende Aspekte werden nicht dargestellt, sondern ausschließlich die Vorteile und Chancen der digitalen Errungenschaften.“

Das NGP ist seit September 2020 am Netz; der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollte damit ein Angebot schaffen, bei dem sich Bürgerinnen und Bürger zu Krankheiten und Therapien informieren können. Der Betrieb der Website ist in § 395 Sozialgesetzbuch (SGB V) sogar gesetzlich geregelt.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Tipps und Tricks für die Protestaktion
Abda will nicht länger warten
Mehr aus Ressort
Nächster Besuch bei Merck
Habeck besucht Pharma-Standorte
194 Mitglieder wollen Vertragswerk retten
WHO-Pandemieabkommen: Neuer Entwurf, neue Verhandlungen

APOTHEKE ADHOC Debatte