Hersteller kritisieren Solidaritätsabgabe

BAH/BPI: Lauterbach gefährdet Patientenversorgung

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Berlin -

Auch wenn die ursprüngliche geplante Milliardenbelastung durch den Herstellerrabatt weggefallen ist: Die Pharmaindustrie sollen den Löwenanteil im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (FinStG) geplanten Einsparungen tragen. Die Branchenverbände sind außer sich und werfen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor, den Pharmastandort Deutschland und Europa nachhaltig aufs Spiel zu setzen und die Versorgung der Menschen in Deutschland zu gefährden.

„Die im Spargesetz vorgesehenen Einsparungen im Arzneimittelbereich gefährden die Arzneimittelversorgung und fügen dem Pharmastandort Deutschland weiteren Schaden zu“, kommentiert Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Schon hätten die jährlichen Abschläge der Hersteller mit knapp 6,5 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht.

Preisniveau von 2009

Wegen des Preismoratoriums erstatteten die Kassen nicht mehr als den Preisstand vom 1. August 2009 – trotz seit Jahren ansteigender Kosten für Energie, Rohstoffe und Logistik. Der aktuelle Entwurf sieht vor, dieses Preismoratorium erneut um vier Jahre zu verlängern und Preisanpassungeb für Arzneimittel bis zum Jahr 2026 zu blockieren. Erschwerend komme hinzu, dass der seit 2018 bestehende nachträgliche Inflationsausgleich die enorm gestiegenen Produktionskosten nur im Ansatz ausgleichen könne, da Preisanpassungen nur im Rahmen der allgemeinen Inflationsrate möglich seien. Der Preisanstieg für Energie-, Logistik- und Rohstoffkosten sei hingegen deutlich höher ausgefallen.

„Wenn für Unternehmen ein Zeitpunkt erreicht ist, an dem eine kostendeckende Produktion schlicht nicht mehr möglich ist, wird die Verfügbarkeit von Arzneimitteln infrage gestellt. Für Patientinnen und Patienten können dann wertvolle Therapie- und Versorgungsoptionen verloren gehen“, so Cranz. Darüber hinaus verhindere das Preismoratorium die Weiterentwicklung von bekannten Substanzen durch die Arzneimittel-Hersteller, etwa in neue oder altersgerechte Darreichungsformen. „Somit steht das Preismoratorium in krassem Widerspruch zu dem Wunsch der Politik, den Arzneimittel-Standort Deutschland attraktiver zu machen.“

Die neueingeführte Solidaritätsabgabe von einer Milliarde Euro, die 2023 und 2024 jeweils zusätzlich geleistet werden sollen, laufe den seinerzeit von den Regierungsparteien im Koalitionsvertrag formulierten Zielen einer Standort-Stärkung ebenfalls zuwider. Cranz: „Die Solidaritätsabgabe wird sich als eine weitere, wenig zielführende Maßnahme erweisen.“

Dabei seien die anteiligen Ausgaben für Arzneimittel seit über zehn Jahren annähernd konstant bei unter 17 Prozent der GKV-Gesamtausgaben von insgesamt 284,3 Milliarden Euro. Der Anteil der Aufwendungen für Arzneimittel bleibe nunmehr seit über zehn Jahren annähernd konstant – wobei Hersteller, Apotheken und Patienten jedes Jahr bereits einen erheblichen Entlastungsbeitrag von 19,5 Prozent zugunsten der GKV leisteten.

Reserven längst ausgereizt

Sein Fazit: „Die Effizienzreserven sind bereits jetzt ausgereizt, weshalb weitere Einsparungen substanzielle Risiken nach sich ziehen werden. Damit läuft der aktuelle GKV-Finanzierungsentwurf diametral den erklärten Zielen der Koalitionspartner entgegen, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln zu verbessern und den Pharmastandort Deutschland zukunftsfest zu machen. Hierfür wären viel eher finanzielle, regulatorische und bürokratische Entlastungen für die Hersteller zielführend.“

Dr. Hans -Georg Feldmeier, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), warf Lauterbach vor, aus der Pandemie nichts gelernt zu haben: Immer neue Kürzungen bei den Arzneimitteln gefährdeten akut die Versorgung und den Pharmastandort.

„Kein Wort umfasst der Gesetzesentwurf zur Stabilisierung der Produktion in Deutschland und Europa oder den schlechten Ausschreibungsbedingungen. Doch gerade das wurde von den meisten Parteien vor der Wahl, wie auch im Koalitionsvertrag, als besondere Herausforderung identifiziert. Um kurzfristig Kosten einzusparen, werden stattdessen akute Versorgungsrisiken und langfristig gefährliche Folgen in Kauf genommen”, so Feldmeier. „Die Hersteller sollen zum Beispiel bei den Innovationen noch höhere Rabatte gewähren als bisher, aber wir sind aufgrund vielfältiger Versorgungsrisiken ohnehin schon am Limit. Die europäische Arzneimittelversorgung droht über kurz oder lang auszubluten!“

Die pharmazeutische Industrie stehe vor riesigen Herausforderungen, eine störungsfreie Versorgung zu sichern, so Feldmeier. Das werde angesichts labiler Lieferketten und explodierender Kosten extrem schwierig. „Während aktuell diese Kosten die Produktion von Arzneimitteln verteuern, sind viele Preise für Arzneimittel durch das Preismoratorium weiterhin auf dem Niveau von 2009 eingefroren. Zugleich stabilisieren wir durch Rabatte, Festpreise und Abschläge seit Jahren das Gesundheitssystem. Zum Dank sollen wir jetzt noch weiter bluten.“

„Unfassbar unkreativ“

„Wie man nach den Lehren der Pandemie gerade in diesem neuralgischen Bereich kürzen kann, ist nicht nur unfassbar unkreativ, sondern offensichtlich verfehlt“, so Feldmeier unmissverständlich. „Es ist unverantwortlich gegenüber den Unternehmen und dem Pharmastandort, der durch die aktuelle Gesetzgebung geschwächt wird! Was wir brauchen – und das hat nicht zuletzt die Pandemie gezeigt – sind mehr deutsche und europäische Produktionsstätten, die wichtige Therapeutika in großen Mengen produzieren können und am Standort Deutschland und Europa mit hochqualifizierten Mitarbeitenden an pharmazeutischen Innovationen forschen“, betont Feldmeier.

In Krisenzeiten wie diesen, Kosten gerade bei lebensrettenden Arzneimitteln zu dämpfen, anstatt in eine sichere Arzneimittelversorgung zu investieren, hält Feldmeier für gefährlich: „Forschung, Entwicklung und Produktion in der EU ist unser Überlebenskonzept. An diesem Ast darf die Politik nicht noch weiter sägen. In der Pandemie hat die Pharmaindustrie geliefert, schnell Impfstoffe bereitgestellt, weiter produziert und damit auch die Grundversorgung gesichert. Das ist noch einmal gut gegangen aber wir müssen jetzt vorsorgen und in unsere Sicherheit investieren. Sonst rutschen wir sehenden Auges in eine massive Versorgungskrise ab.“

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