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Apothekervertrag: Etappensieg für die AOK

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Berlin -

Im Streit um die Impfstoffvereinbarung zwischen AOK Nordost und dem Berliner Apothekerverein (BAV) hat die Kasse einen Erfolg errungen. Das Landessozialgericht Hessen (LSG) hat die Beschwerde von Sanofi zurückgewiesen und in seiner Begründung den Standpunkt der Kasse bestätigt. Im Parallelverfahren vor der Vergabekammer beim Bundeskartellamt hatte die AOK in erster Instanz gegen den Hersteller GlaxoSmithKline (GSK) verloren.

Sanofi hatte sich an das Sozialgericht Frankfurt gewandt, das im Mai auf die Zuständigkeit der Vergabekammer hinwies und in der Sache nicht entschied. Dagegen hatte der Hersteller Beschwerde eingelegt. Das LSG befand nun im Eilverfahren, Kassen und Apothekerverbände hätten sich bei der Vereinbarung an geltendes Recht gehalten, weil diese produkt- und herstellerneutral ausgestaltet sei und weder direkt noch indirekt bestimmte Hersteller bevorzuge, zitiert die Kasse aus dem Beschluss. Es gebe keine Beschränkung des Anbieterkreises und somit auch keine lenkende Wirkung hin zu einem Pharmaunternehmen. Das Sozialrecht beinhalte keinen Schutz der Hersteller zur einseitigen Festsetzung eines Listenpreises ohne Wettbewerb, so die Richter weiter.

Vielmehr sei es ausdrücklich zulässig, mit den Apothekern einen festen Abgabepreis für den Impfstoff zu vereinbaren. Schließlich sei es allen anbietenden Pharmaunternehmen freigestellt, ihre Produkte durch entsprechende Preisgestaltung konkurrenzfähig zu machen, zitiert die AOK den Beschluss vom 13. Juni. „Es ist ein normaler marktwirtschaftlicher Mechanismus, dass das teurere Produkt nicht oder weniger stark nachgefragt wird“, so Stefanie Stoff-Ahnis, Mitglied der Geschäftsleitung der AOK Nordost. „Die Pharmaunternehmen können durch Anpassung ihres Abgabepreises jederzeit die Chance auf Teilnahme am Marktgeschehen nutzen.“

Auch die weitgehende Regelungskompetenz von Kassen und Apothekerverbänden als Akteuren der Selbstverwaltung habe das Landessozialgericht ausdrücklich betont, berichtet die AOK. Beide dürften somit weiterhin die wirtschaftliche Versorgung mit Arzneimitteln auf Landesebene gestalten. Daran hatte auch die zweite Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt keine Zweifel aufkommen lassen. Vielmehr betonte sie sogar, dass sie dass Impfstoff-Ausschreibungen grundsätzlich für zulässig hält – obwohl diese 2017 mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) gestrichen wurden.

Da es sich bei dem Vertrag zwischen AOK Nordost und den Apothekern um einen öffentlichen Auftrag handele, sei hier aber das Vergaberecht einschlägig. Für den quadrivalenten Impfstoff ist in der Vereinbarung pro Dosis ein Betrag von 10,95 Euro plus Mehrwertsteuer vorgesehen. Kümmert sich eine Apotheke in Eigenregie um die Beschaffung eines Grippeimpfstoffs, muss sie selbst zusehen, dass sie kostendeckend arbeiten kann. Die beiden verfügbaren quadrivalenten Impfstoffe Vaxigrip tetra (Sanofi) und Influsplit tetra (GSK) haben einen Listenpreis von 13,11 Euro pro Dosis in der Zehnerpackung – also deutlich mehr, als mit der AOK Nordost vereinbart wurde.

Eine solche Lenkung sei an sich legitim, müsse aber entsprechend der Richtlinien von Vergabeverfahren ablaufen. Dafür haben die Richter drei Alternativen zum jetzigen Vorgehen in den Raum gestellt: Eine Möglichkeit wäre ein Vergabeverfahren mit den Apothekern als Ausschreibungsadressaten, ein anderes ein Vergabeverfahren den Herstellern gegenüber. Das widerspricht zwar dem Willen des Gesetzgebers, der die sozialrechtliche Norm gestrichen hat, die das regelte. Das bedeute aber nicht automatisch ein Ausschreibungsverbot den Herstellern gegenüber. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Open-House-Verfahren. So wird die Versorgung mit quadrivalentem Grippeimpfstoff beispielsweise in Niedersachsen geregelt.

Erst im Mai hatte die zweite Vergabekammer des Bundes die Vereinbarung zur Versorgung mit tetravalentem Grippeimpfstoff für ungültig erklärt. In diesem Verfahren hatte GSK Beschwerde eingelegt, mit Erfolg. Zur Begründung hieß es, dass die Vereinbarung die Ärzte in ihrer Verschreibungspraxis lenkt. Denn bei einer generischen Verordnung kommt wegen der Regularien fast zwangsläufig der Mylan-Impfstoff Influvac Tetra zum Einsatz, da die Apotheken ansonsten nicht nur keine Marge erzielen würden, sondern die Impfstoffe unterhalb ihrer eigenen Kosten abgeben müssten.

Die AOK wollte die Entscheidung nicht akzeptieren und hat Beschwerde dagegen eingelegt. Der Fall geht nun an das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG). Wie lange es dauert, bis dort eine Entscheidung fällt, ist noch nicht abzusehen.

Die Impfstoffvereinbarung in Berlin existiert bereits seit 2011 und funktioniert wie folgt: Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) fordert die Mediziner auf, Grippeimpfstoffe generisch zu verordnen und die Bestellungen möglichst früh in einer Apotheke ihrer Wahl abzugeben. Überlässt die Praxis ihrem Lieferanten die Auswahl des Impfstoffs, gilt ein zwischen den Vertragspartnern vereinbarter Festpreis pro Impfdosis.

Der BAV wiederum schließt über seine Tochterfirma D.S.C. Verträge mit den Herstellern. Der frühzeitige Auftragseingang ermöglicht es den Firmen, ihre Produktion entsprechend dem Bedarf zu planen; in den vergangenen Jahren lief das Procedere sogar schon im Januar. Die Apotheken profitieren wiederum von günstigen Konditionen.

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