Spargesetz trifft Hersteller und Apotheken

170 Millionen Euro: BMG will Kassenabschlag auf 2 Euro erhöhen

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Berlin -

Höhere Ausgaben, niedrigere Einnahmen: Angesichts der Finanzentwicklung in der GKV will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Arzneimittelbereich sparen. So sollen die Zwangsabschläge für Apotheken und Hersteller angehoben werden, wie aus dem Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, GKV-FinStG) hervorgeht. Allerdings gibt es dem Vernehmen nach bereits Widerstand aus dem Kanzleramt.

Das BMG will die zu erwartenden Belastungen im Gesundheitswesen auf verschiedene Schultern verteilten: Der Bundeszuschuss soll nicht nur über 2023 hinaus erhalten bleiben, sondern sogar um 5 Milliarden Euro auf jährlich 19,5 Milliarden Euro erhöht werden. Darüber hinaus will Ressortchef Karl Lauterbach (SPD) nicht notwendige Finanzreserven der Krankenkassen abschmelzen und überschüssige Mittel des Gesundheitsfonds dauerhaft als Zuweisungen an die Krankenkassen ausschütten. Außerdem ist geplant, in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren den Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel ab dem Jahr 2023 auf 7 Prozent zu senken.

Zusätzlich will das BMG massiv auf der Ausgabenseite sparen, und zwar insbesondere im zuletzt überproportional gewachsenen Arzneimittelbereich. Vorgesehen sind:

  • eine Erhöhung des Kassenabschlags für die Dauer von zwei Jahren von 1,77 Euro auf 2 Euro
  • eine Verlängerung des Preismoratoriums über den 31. Dezember 2022 hinaus um weitere vier Jahre
  • eine zeitlich befristete gestaffelte Anhebung des Herstellerabschlags von 7 auf 19 Prozent (2023), 16 Prozent (2024), 13 Prozent (2025) und 10 Prozent (2026)
  • ein Inkrafttreten des Erstattungsbetrags bereits ab dem siebten Monat sowie eine mengenbezogene Staffelung oder ein jährliches Gesamtvolumen
  • eine Preisminderung für Arzneimittelverwürfe auf Grund unwirtschaftlicher Packungsgrößen von mehr als 20 Prozent
  • eine Absenkung der Umsatzschwelle für Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens von 50 auf 20 Millionen Euro
  • ein Kombinationsabschlag in Höhe von 15 Prozent auf den Erstattungsbetrag für freie Kombinationen bestimmter, vom G-BA zu definierender Arzneimittel

Für Apotheken und Hersteller sind die Pläne extrem schmerzhaft, wie die Berechnungen des BMG zu den jährlichen Einsparpotenzialen zeigen:

  • Kassenabschlag: rund 170 Millionen Euro
  • Herstellerabschlag: zwischen 1,8 Milliarden Euro (2023) und 450 Millionen Euro (2026)
  • Erstattungsbetrag ab dem siebten Monat: rund 150 Millionen Euro
  • verpflichtende Preis-Mengen-Vereinbarungen in Erstattungsbetragsvereinbarungen: k.A.
  • unwirtschaftlichen Packungsgrößen: rund 50 Millionen Euro im Jahr
  • Kombinationsabschlag: rund 150 bis 200 Millionen Euro
  • reduzierte Umsatzschwelle für Orphan drugs: 100 bis 200 Millionen Euro

Hinzu kommen entsprechende Einsparungen im PKV-Bereich. Die degressive Ausgestaltung beim Herstellerrabatt ist laut BMG sachgerecht, bis mittelfristig wirkende Strukturmaßnahmen zur Dämpfung des Anstiegs der Arzneimittelausgaben in der GKV beitragen werden. Nicht betroffen sind Arzneimittel, für die ein Festbetrag gilt. Die Beibehaltung des Preismoratoriums trage über die Vermeidung von erwarteten Preissteigerungen wesentlich zur Stabilisierung der Ausgaben für Arzneimittel in Höhe von mindestens 1,8 Milliarden Euro pro Jahr bei.

Beibehalten will das BMG die Reserve bei Grippeimpfstoffen in Höhe von 30 Prozent; eingeplant sind hier Mehrausgaben von bis zu 50 Millionen Euro zuzüglich bis zu 25 Millionen Euro für die ärztliche Vergütung.

Zur Begründung verweist das BMG auf eine Finanzierungslücke: Wuchsen die Einnahmen und Ausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in den vergangenen zehn Jahren parallel um je 4 Prozent pro Jahr, steigen die Beitragseinnahmen im Gesundheitsfonds laut BMG seit 2020 pandemiebedingt nur noch um durchschnittlich rund 3 Prozent.

Drohende Finanzierungslücke

Es drohe eine wachsende Finanzierungslücke, denn gleichzeitig werden die Ausgaben aufgrund von medizinisch-technologischem Fortschritt, demografischer Entwicklung sowie steigenden Löhnen aufgrund des Fachkräftemangels weiter wachsen.

Laut BMG müsste der Zusatzbeitrag jährlich um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten steigen, wobei ein Beitragssatzpunkt rund 16 Milliarden Euro entspricht. Hinzu kommt, dass der Bundeszuschuss in Höhe von 14 Milliarden Euro im kommenden Jahr wegfällt, sodass zusätzlich mit einem weiteren Anstieg des Zusatzbeitrags von derzeit 1,3 Prozent um rund einen Prozentpunkt zu rechnen sei.

Dem Vernehmen nach gibt es allerdings bereits Widerstand gegen die Pläne. So soll das Kanzleramt die Pläne bereits gestoppt haben. Insbesondere in der Industrie ist man alarmiert, steigen doch alleine die Herstellerabschläge fast um das Dreifache.

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