Was sagt die wissenschaftliche Evidenz tatsächlich über den Nutzen einer Vitamin-D-Supplementierung? Die Studienlage dazu ist klar: In der Allgemeinbevölkerung ohne nachgewiesenen Vitamin-D-Mangel bringt eine zusätzliche Zufuhr keinen gesundheitlichen Vorteil. Der mediale Hype steht in keinem Verhältnis zu bisherigen Erkenntnissen.
Die Sorge um den eigenen Vitamin-D-Spiegel wird stark durch mediale Berichterstattung und frei verkäufliche Schnelltests geschürt, die eine regelmäßige Selbstkontrolle suggerieren. Zudem wird immer wieder publiziert, welche Krankheiten mit einem niedrigen Spiegel zusammenhängen sollen.
Der vermeintliche Zusammenhang beruht aber größtenteils auf Beobachtungsstudien. Diese zeigen zwar Korrelationen, erlauben jedoch keine Rückschlüsse auf Kausalität. Heißt konkret: Nur weil Menschen mit niedrigem Vitamin-D-Spiegel häufiger krank sind, heißt das nicht, dass der niedrige Spiegel die Ursache ist. Das sagte auch Professor Dr. Stephan Martin gegenüber dem Portal Medscape: „Vitamin-D-Supplementierung bringt in der Normalbevölkerung überhaupt nichts und sollte eigentlich beendet werden.“
In randomisierten kontrollierten Studien (RCTs), dem Goldstandard der evidenzbasierten Medizin, konnte kein gesundheitlicher Nutzen durch eine Supplementierung von Vitamin D bei Menschen ohne nachgewiesenen Mangel festgestellt werden; weder die Gesamtsterblichkeit noch die kardiovaskuläre Sterblichkeit oder die Rate von Knochenbrüchen lassen sich durch Vitamin-D-Gaben in der Allgemeinbevölkerung signifikant beeinflussen.
Eine besonders aufschlussreiche Studie nutzte die Methode der Mendelschen Randomisierung. Dabei wurde genetisch untersucht, welche Menschen aufgrund bestimmter Genvarianten von Natur aus hohe oder niedrige Vitamin-D-Spiegel haben. In großen Kohortenstudien wurden diese Personen über Jahre hinweg hinsichtlich gesundheitlicher Endpunkte wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gesamtmortalität beobachtet. Das Ergebnis war eindeutig: Es gab keinen Unterschied zwischen Personen mit genetisch bedingt hohem und solchen mit niedrigem Vitamin-D-Spiegel. Auch diese Daten stützen die Erkenntnisse aus den RCTs.
Martin empfiehlt, dass Patient:innen und Ärzt:innen statt sich auf den Vitamin-D-Spiegel zu konzentrieren, die tatsächlich wirksamen Maßnahmen in den Vordergrund stellen sollten: Blutdruck- und Lipidkontrolle, Rauchstopp und körperliche Aktivität. Diese Interventionen sind nachweislich lebensverlängernd und gesundheitsfördernd – im Gegensatz zur routinemäßigen Einnahme von Vitamin D ohne klaren medizinischen Bedarf.
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