Lohnhersteller

Ben Venue: Boehringer riskiert Lieferengpässe

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Berlin -

Weltweit drohen Apotheken und Kliniken in den kommenden Monaten massive

Lieferengpässe bei sterilen Medikamenten. Denn Boehringer Ingelheim

wirft im Skandal um schwerwiegende Produktionsmängel das Handtuch und

gibt die US-Tochterfirma Ben Venue auf. Bis Ende des Jahres wird die

Produktion komplett eingestellt – für einige essentielle Medikamente

müssen nun schnellstens Alternativen gefunden werden. Boehringer

jedenfalls will nicht noch mehr Geld versenken.

Im November 2011 hatte Ben Venue seine Produktionsstätte in Bedford, Ohio, geschlossen. Zuvor waren in mehreren Fällen schwerwiegende Fehler aufgezeigt worden, zum Beispiel ein Behältnis mit Urin, das die Mitarbeiter statt der Toiletten nutzten.

In zwei Produkten waren Metallteilchen gefunden worden, möglicherweise stammten diese von ramponierten Türen im Zugangsbereich. Andere Lösungen waren mikrobiell verunreinigt – das Personal benutzte offenbar keine sterilen Handschuhe. In einem Teil der Anlage war das Dach undicht – weil Regenwasser eindrang, war ein Kontrolle von Temperatur und Luftfeuchte unmöglich.

Von 2002 bis zur Schließung hatte der Hersteller 40 Produkte zurückrufen müssen. Weil Ben Venue jedoch für zahlreiche Fertigarzneimittel der einzige Hersteller war, führte die Schließung sofort zu Lieferproblemen, besonders bei Krebsmedikamenten. Auch hierzulande hatte es Rückrufe und Warnhinweise gegeben.

Anfang des Jahres hatte die US-Arzneimittelbehörde FDA wegen der Bedeutung die Produktion per Ausnahmeregelung vorerst wieder genehmigt. Die zwischenzeitlich implementierten Maßnahmen sind laut Boehringer zwar effektiv, aber nicht nachhaltig. Angesichts des Alters und des Zustands einiger Anlagen seien weitere Investitionen von 700 Millionen US-Dollar in den kommenden fünf Jahren erforderlich; rund 350 Millionen Dollar hat der Hersteller nach eigenen Angaben bereits investiert.

Bei einer erneuten externen Prüfung habe sich gezeigt, dass die Aufrüstung der Fertigung noch teurer werde und die Investitionen nicht rentabel seien, berichtete die Allgemeine Zeitung mit Bezug auf einen Sprecher. Außerdem habe sich das Marktumfeld geändert.

Angesichts des finanziellen Aufwands und der erforderlichen Zeit gibt Boehringer die Skandalfabrik jetzt auf. Der Konzern will die strategischen Optionen prüfen, um die Folgen seiner Entscheidung für Patienten und Leistungserbringer zu minimieren. Gemeinsam mit den Pharmafirmen, die bei Ben Venue ihre Medikamente herstellen lassen, und den Arzneimittelbehörden sollen Lösungen gesucht werden, um Lieferengpässe zu verhindern. 1100 Mitarbeiter sind von der Schließung betroffen.

Ben Venue ist derzeit nicht die einzige Großbaustelle von Boehringer: Auch am Stammsitz in Ingelheim gibt es laut US-Arzneimittelbehörde FDA Probleme: Bei einer Untersuchung im November 2012 seien „signifikante Verstöße“ gegen die Gute Herstellungspraxis (GMP) festgestellt worden, heißt es in einem Warnschreiben.

Die FDA rügte unter anderem das Vorkommen von Fremdpartikeln in Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln und drohte mit einem Zulassungsstopp und Lieferverbot.Im Mai hatte Produktionsvorstand Dr. Wolfram Carius gehen müssen. Sein Nachfolger Dr. Wolfgang Baiker gehört zwar seit 1989 dem Konzern an, hatte aber zuvor im Bereich Forschung, Entwicklung und Medizin gearbeitet.

Betroffen sind vor allem die Atemwegsmedikamente des Konzerns, zuletzt musste der Konzern auf Lieferengpässe des Asthmasprays Berodual N (Ipratropiumbromid, Fenoterol) in der N3-Packung hinweisen, die Apotheken sollten den Mangel verwalten.

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