Entgegen der FDA-Warnung

Lamotrigin: Kein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen

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Berlin -

Zwei neue Studien liefern starke Hinweise darauf, dass das Antiepileptikum Lamotrigin kein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen bei älteren Erwachsenen mit Epilepsie darstellt. Im Vergleich zum ebenfalls häufig eingesetzten Wirkstoff Levetiracetam zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit schwerer kardialer Ereignisse. Die Ergebnisse könnten laut Forschender dazu beitragen, dass die US-Arzneimittelbehörde FDA ihre derzeitige Sicherheitswarnung zu Lamotrigin überdenkt.

Im Jahr 2020 hatte die FDA die Warnung in die Packungsbeilage von Lamotrigin aufgenommen. Die Entscheidung basierte auf In-vitro-Studien sowie auf einzelnen Fallberichten von Herzrhythmusstörungen, insbesondere bei Patienten mit bestehender Herzerkrankung. Damals äußerten sich jedoch viele Fachleute kritisch zur Schwere der Warnung, da Lamotrigin bereits seit über 30 Jahren ohne Hinweise auf kardinale Risiken eingesetzt wird.

Zwei groß angelegte Studien mit insgesamt über 200.000 Patient:innen untersuchten erneut den Einfluss der Antiepileptika auf Herzrhythmusstörungen. Die erste Studie unter Leitung des Epidemiologen Dr. Samuel W. Terman an der University of Calgary, in Kanada analysierte mehr als 53.000 Teilnehmende aus den USA (Medicare-Daten) und Großbritannien (CPRD-Datenbank), die erstmals eine Therapie mit Lamotrigin oder Levetiracetam begannen. Das Ergebnis: kein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit von ventrikulären Tachykardien oder Kammerflimmern. In beiden Datenbanken lag die Rate bei Lamotrigin leicht, aber nicht signifikant unter der bei Levetiracetam.

Die zweite Studie, geleitet von Dr. Gloria Ho (Rutgers University, New Jersey), analysierte Daten von knapp 160.000 älteren Medicare-Versicherten mit Epilepsie. Auch hier zeigte sich kein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod oder ventrikuläre Arrhythmien bei Lamotrigin-Nutzer:innen. „Unsere Studie wurde mit realen Patientendaten durchgeführt, mit einem Vergleichsmedikament, und wir haben auch Untergruppen betrachtet. Wir fanden kein erhöhtes Risiko für kardiale Ereignisse“, erklärte Ho gegenüber dem Fachjournal „Medscape Medical News“.

Interessanter Zusatzbefund

Besonders bemerkenswert: Bei Personen mit bereits bestehender Herzrhythmusstörung war das Risiko für VA/SCA unter Lamotrigin signifikant reduziert im Vergleich zu Levetiracetam. Auch die Notwendigkeit, zusätzlich Antiarrhythmika einzusetzen, war geringer. Ho betont jedoch: „Ich kann nicht pauschal zu Patienten sagen, das es sicher ist und einfach genommen werden soll. Ältere Menschen haben oft weitere Erkrankungen und nehmen andere Medikamente. Man muss das individuell abwägen.“

Ebenso wichtig: „Die Studien sind nicht auf jüngere Patienten oder auf Menschen ohne Epilepsie übertragbar – etwa solche, die Lamotrigin bei bipolarer Störung erhalten“, betont die Expertin. Insgesamt deuten diese Daten ihrer Einschätzung nach darauf hin, dass der Wirkstoff in der klinischen Praxis sicher sei und weiterhin als wirksames und gut verträgliches Antiepileptikum verwendet werden könne.

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