Gezielte Maßnahmen notwendig

Jodversorgung in Deutschland verschlechtert

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Berlin -

Die Jodversorgung in Deutschland ist laut neuen Erkenntnissen aus Studien nicht ausreichend. Insbesondere werdende und stillende Mütter würden ihren Kindern keine ausreichenden Jodmengen bereitstellen können, sofern sie nicht gezielt Jodsupplemente einnehmen, erläutert Prof. Dr. Thomas Remer, Zweiter Vorsitzender des Arbeitskreises Jodmangel (AKJ). Es seien gezielte gesundheitspolitische Maßnahmen notwendig.

Während in Ländern mit obligater Salzjodierung und gezielter Jodsupplementation vor, während und nach der Schwangerschaft eine bedarfsgerechte Versorgung sichergestellt werden kann, sieht es in Ländern ohne gezielte Jodanreicherungsmaßnahmen schlecht aus. Das zeigen die Ergebnisse aktueller Studien aus Großbritannien und Kanada. Fakt ist: Die ausreichende Jodversorgung und damit eine adäquate Produktion an Schilddrüsenhormonen sind für die fetale und frühkindliche Entwicklung essenziell.

„Die Erkenntnisse beider Studien sind nur ein weiterer Beweis für die Notwendigkeit gezielter gesundheitspolitischer Maßnahmen, auch für Deutschland. Denn hier hat sich die Jodversorgung in vergangenen Jahren bis etwa 2018 erheblich verschlechtert“, erklärt Remer. „Zwar lassen neuere Daten vermuten, dass der Negativtrend stagniert. Doch das heißt allenfalls, dass sich die Versorgungslage nicht noch weiter verschlechtert hat – bedenklich bleibt sie dennoch“, so der Experte. Bereits die länger zurückliegende DEGS-Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) würde zeigen, dass rund 47 Prozent der 18- bis 29-jährigen und fast 40 Prozent der 30- bis 39-jährigen Frauen ein erhebliches Jodmangelrisiko aufweisen.

Jodmangelrisiko

Im Rahmen der Studie untersuchten die Forschenden in Großbritannien die Jodzufuhr bei Müttern und deren Säuglingen. 50 Prozent der Frauen stillten zu dem Zeitpunkt voll. „Die geschätzte Jodzufuhr lag mit durchschnittlich 140 Mikrogramm pro Tag mehr als 100 Mikrogramm unter der Zufuhrempfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für stillende Mütter“, erklären die Forschenden. Bei Berücksichtigung des geschätzten täglichen Jodbedarfs des Säuglings und dem daraus resultierenden Jodverlust der Mutter über die Muttermilch – rund 70 Mikrogramm täglich – werde deutlich: „Sowohl die untersuchten Mütter als auch die Säuglinge sind oder waren einem Jodmangelrisiko ausgesetzt.“

In Großbritannien sei diese ungünstige Versorgungslage nachvollziehbar, so die Studienautoren, da keine gezielte Jodanreicherung von Speisesalz erfolge. „Mütter mit einem insgesamt besseren doch meist noch unzureichenden Versorgungsstatus konsumieren häufiger Seefisch, Eier, Kuhmilch und Joghurt, also wichtige Jodlieferanten.“ Gleichzeitig sei deren Verzehr an jodarmen pflanzlichen Milchalternativen geringer: „Veränderte Ernährungsgewohnheiten, wie zum Beispiel eine pflanzenbetontere Ernährung, tragen auch in Deutschland dazu bei, dass weniger jodreiche Lebensmittel auf dem Speiseplan stehen. Daher wird empfohlen, künftig auch pflanzenbasierte Milch- und Fleischersatzprodukte gezielt mit Jod anzureichern“, betont Remer.

Obligate Jodanreicherung

In Kanada hingegen würden Frauen eine deutlich bessere Jodversorgung zeigen, so die Forschenden. „Dort wird Speisesalz obligat mit 76,5 Mikrogramm Jod pro Gramm angereichert.“ In Deutschland seien es lediglich 20 Mikrogramm pro Gramm, „und das freiwillig“. In der kanadischen Studie konnte bei 99 Prozent der 500 untersuchten schwangeren Frauen eine ausreichende Jodzufuhr deutlich oberhalb des geschätzten mittleren Jodbedarfs nachgewiesen werden. „Zu der sehr guten Versorgungslage trug auch die annähernd von allen Schwangeren mit Schwangerschaftseintritt begonnene oder zum Teil präkonzeptionelle Jodsupplementierung bei“, erklären die Forschenden.

Angesichts der insgesamt ungünstigen Jodversorgung in Deutschland sei davon auszugehen, dass anders als in Kanada zu viele werdende und stillende Mütter ihren Kindern keine ausreichenden Jodmengen bereitstellen können. „Sofern sie nicht gezielt Jodsupplemente einnehmen“, so Remer. „Es sollte Frauen im gebärfähigen Alter empfohlen werden, bereits einige Monate vor der Konzeption sowie während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit kontinuierlich Jod zu supplementieren.“

Es sei laut Remer unverständlich, dass in Deutschland trotz eindeutiger Datenlage und entsprechender Empfehlungen immer noch keine klaren Schritte unternommen wurden. „Um zumindest den definitiv zu niedrigen Jodierungsgrad von 20 Mikrogramm pro Gramm Speisesalz anzuheben.“

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