Brensocatib könnte der erste Wirkstoff sein, der chronische Bronchiektasen ursächlich behandeln kann. In der bislang größten Phase-3-Studie zum Krankheitsbild zeigte der Wirkstoff signifikante Verbesserungen bei der Reduktion von Exazerbationen.
Bronchiektasen sind bleibende Erweiterungen der Bronchien, in denen sich zäher Schleim ansammelt und chronische Entzündungen mit häufigen Infektionen verursacht. Auslöser sind meist vorausgegangene Infektionen, chronische Lungenerkrankungen oder genetische Defekte.
Die Aussackungen entstehen häufig nach schweren Infektionen wie Lungenentzündung oder Tuberkulose sowie durch unkontrolliertes Asthma oder COPD. Auch angeborene Erkrankungen wie Mukoviszidose oder Primäre Ciliäre Dyskinesie können eine Ursache für Bronchiektasen sein. Die Entzündungen zerstören langfristig das elastische Bindegewebe der Lunge und beeinträchtigen die mukoziliäre Clearance. Die Folge sind Husten, Auswurf, Atemnot und Erschöpfung.
Bislang existiert kein einheitlicher Behandlungsstandard. Nationale und internationale Leitlinien empfehlen physiotherapeutische Atemtherapie, sekretolytische wie auch antibiotische Medikamente, die jedoch die chronische Entzündung und das Fortschreiten der Erkrankung nicht ausreichend behandeln. Im fortgeschrittenen Stadium bleibt nur eine Lungentransplantation als letzte Option.
Das könnte sich durch den Wirkstoffkandidaten Brensocatib künftig – zumindest für bestimmte Erkrankungen – ändern. Brensocatib ist ein experimenteller, selektiver und reversibler Inhibitor des Enzyms Dipeptidylpeptidase 1 (DPP-1), der an der Aktivierung entzündungsfördernder Enzyme bei chronisch-entzündlichen Lungenerkrankungen beteiligt ist. In der weltweit größten klinischen Studie zu Bronchiektasen, der sogenannten Aspen-Studie, wurde der Wirkstoff umfangreich getestet. Über 1700 Patientinnen und Patienten nahmen teil, darunter 1680 Erwachsene und 41 Jugendliche.
Voraussetzung für die Studienteilnahme war eine durch CT bestätigte Bronchiektasie in mindestens einem Lungenlappen sowie klinische Symptome wie chronischer Husten, Sputumproduktion oder wiederkehrende Atemwegsinfektionen. Zusätzlich mussten die Teilnehmenden in den zwölf Monaten vor Studienbeginn mindestens zwei durch einen Arzt behandelte Exazerbationen gehabt haben. Für die Studie kamen ausschließlich Menschen mit nicht-zystischer Bronchiektasie in Frage; Patient:innen mit Mukoviszidose wurden explizit ausgeschlossen.
Der durch Bronchiektasen ausgelöste Teufelskreis aus Entzündung, beeinträchtigter mukoziliärer Clearance, strukturellen Schäden der Atemwege und wiederkehrenden Infektionen wird durch neutrophile Granulozyten verstärkt. Sie setzen Enzyme wie Serinproteasen frei. Als einziger Wissenschaftler aus Deutschland war Professor Dr. Felix Ringshausen, Oberarzt an der Klinik für Pneumologie und Infektiologie der Medizinischen Hochschule Hannover und Leiter der Bronchiektasen-Ambulanz, an der wissenschaftlichen Veröffentlichung der Studienergebnisse beteiligt.
„Bei chronischen Atemwegsentzündungen wie der Bronchiektasen-Erkrankung schießt die sehr effektive Bakterienpolizei der neutrophilen Granulozyten allerdings über das Ziel hinaus und setzt zu viele Serinproteasen in den Atemwegen frei“, erklärt er. Diese schädigen nicht nur Krankheitserreger, sondern auch die Bronchialwände und das Lungengewebe, wodurch die Lungenreinigung weiter gestört wird.
Die Studienergebnisse zeigen, dass Brensocatib in den Dosierungen von 10 und 25 Milligramm die Wahrscheinlichkeit für Verschlechterungen in Schüben, die eine antibiotische Behandlung erforderten, um etwa 20 Prozent verringern kann. Darüber hinaus verlangsamte die Therapie mit 25 Milligramm Brensocatib die Verschlechterung der Lungenfunktion deutlich und verbesserte so auch die Lebensqualität der Betroffenen.
Die Aspen-Studie bestätigt somit die Ergebnisse der Phase-2-Studie Willow, in der Brensocatib die Aktivität auslösender Enzyme signifikant senken konnte. Dies führte zu einer längeren Zeit bis zur ersten Exazerbation und einer geringeren Exazerbationsrate im Vergleich zu Placebo. „Brensocatib ist der erste Wirkstoff, der die Erkrankung ursächlich behandelt, und wird voraussichtlich das erste Medikament, das zur Therapie der Bronchiektasen-Erkrankung zugelassen wird“, betont Ringshausen.
Brensocatib unterbricht den Krankheitskreislauf, indem es DPP-1 blockiert und so die Aktivierung von Serinproteasen abschwächt. „Wird Brensocatib abgesetzt, blockiert es DPP-1 nicht länger, welches dann die Enzyme wieder in vollem Umfang aktivieren und die Bakterienabwehr verstärken kann“, sagt Professor Ringshausen. Patienten unter Brensocatib blieben länger beschwerdefrei als die Placebo-Kontrollgruppe. Die beobachteten Nebenwirkungen waren gering, vor allem kam es häufiger zu trockener Haut. „Brensocatib reduzierte das Risiko für eine Verschlimmerung der Symptome, verlangsamte die Verschlechterung der Lungenfunktion und verbesserte damit überzeugend die Lebensqualität der Betroffenen“, betont der Experte.
Im Sommer dieses Jahres soll das Medikament in den USA auf den Markt kommen, eine Zulassung in Europa wird voraussichtlich Ende dieses oder zu Beginn des kommenden Jahres erfolgen. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat dem Medikament für die Behandlung der Bronchiektasie eine beschleunigte Prüfung (Priority Review) gewährt, mit einem festgelegten Zieltermin für die Entscheidung am 12. August 2025.
Die Ergebnisse der Aspen-Studie wurden kürzlich im Fachmedium „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.
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