Einmal im Jahr ist in Deutschland kollektive Pharma-Kritik angesagt. Wenn der Springer Medizin Verlag seinen „Arzneiverordnungs-Report“ vorstellen lässt, geht die Branche am besten auf Tauchfahrt. Morgen ist es wieder so weit. Weil abermals ein mediales Desaster zu befürchten ist, hat sich der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) diesmal munitioniert - und zwar mit den Zahlen, die die Wissenschaftler um Professor Dr. Ulrich Schwabe im vergangenen Jahr vorgestellt haben. Fazit: Sechs. Setzen.
Schwabe und seine Co-Autoren hatten im vergangenen Jahr behauptet, die 50 umsatzstärksten patentgeschützten Arzneimittel seien in Deutschland 48 Prozent teurer als in Schweden. Alleine durch den Ausgleich der Differenz ließen sich 2,5 Milliarden Euro sparen. Die Medien griffen seinerzeit die Statistiken auf - es hagelte die zu erwartende Pharma-Schelte.
Das Problem: Der Vergleich basierte auf den Listenpreisen; die Zwangsabschläge der Branche waren nicht berücksichtigt. Alleine die Berücksichtigung von Hersteller- und Apothekenrabatt schmälerte die Differenz auf 28 Prozent. Zusätzlich zu beachten gewesen wäre laut BPI die Mehrwertsteuer, die in Schweden auf Arzneimittel gar nicht erhoben wird, in Deutschland aber voll auf den Apothekenverkaufspreis durchschlägt.
Demnach ergibt sich für die behaupteten Einsparungen von 2,5 Milliarden Euro laut BPI-Nachrechnung folgendes Bild: 34 Prozent waren bereits durch den Herstellerrabatt von 16 Prozent eingespart, 2 Prozent durch den Kassenabschlag der Apotheken. 40 Prozent ließen sich einsparen, wenn man die Mehrwertsteuer für Arzneimittel abschaffte. Blieben rein rechnerisch 24 Prozent von 2,5 Milliarden Euro, also 600 Millionen Euro, die sich wie folgt aufteilen würden: Einschnitte von 250 Millionen Euro entfielen auf die Hersteller, 200 Millionen Euro auf den Großhandel und 150 Millionen Euro auf die Apotheken.
Insofern sehen sich die Pharmafirmen vom Vorwurf der Preistreiberei rehabilitiert. Auf Basis des Netto-Herstellerabgabepreises sind die untersuchten Arzneimittel nur 4,5 Prozent teurer als in Schweden - nicht berücksichtigt sind Nachlässe aus Rabattverträgen. Und damit niemand auf die Idee kommt, die 600 Millionen Euro als Eingeständnis zu werten, liefert der BPI zum Schluss noch die ultimative Rechenvariante: Basierend auf dem aktuellen Wechselkurs verkaufen die Hersteller ihre Arzneimittel in Deutschland sogar 1,9 Prozent billiger als in Schweden.
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