Versandapotheken

Kassen treiben Holland-Steuern ein

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Berlin -

Die Finanzbehörden machen ernst: Sie wollen Tricks mit der Umsatzsteuer ausländischer Versandapotheken nicht dulden. Wenn die Versender ihre Umsätze mit deutschen Kunden nicht hierzulande versteuern, werden die Krankenkassen belastet. Die haben zwischenzeitlich reagiert und von den „Hollandversendern“ genaue Auskünfte über deren Fiskalpolitik erfragt. In einem Fall soll es sogar schon Nachforderungen geben.

Die Steuerdebatte neu belebt hatte das Pick-up-Konzept „Vorteil24“. Bei dem mittlerweile eingestellten Modell hatten die niederländische Montanus Apotheke und Apotheken der Kooperation Linda zusammengearbeitet. Durch einen Abholtrick wurde dabei der niedrigere niederländische Mehrwertsteuersatz veranschlagt, mit den Kassen aber zu normalen deutschen Preisen abgerechnet.

Der GKV-Spitzenverband hatte sich in der Vergangenheit nicht sonderlich für den Steuertrick interessiert. Erst als das Bundesfinanzministerium (BMF) die Kassen im Sommer an die korrekten Abrechnungsvorschriften erinnerte, wurde der Verband aktiv. Die Kassen wurden informiert, dass sie bei der Abrechnung mit ausländischen Versandapotheken normalerweise selbst die Steuern abführen müssten.

Die Regelungen im Steuerrecht sind an dieser Stelle recht komplex, aber eindeutig: Nach dem sogenannten Bestimmungslandprinzip müssen die Umsätze ausländischer Versandapotheken mit deutschen Kunden ab einer bestimmten Schwelle hierzulande versteuert werden. Formal findet ein innergemeinschaftlicher Erwerb statt. Die Kasse zahlt dabei nur den Nettobetrag und versteuert die Arzneimittel selbst. Es gibt aber eine Vereinfachungsregel, wonach der Versender seine Steuern selbst in Deutschland zahlen kann. Große Anbieter wie DocMorris führen ihre Steuern deshalb seit Jahren an das zuständige Finanzamt in Kleve ab.

Anders verhielt es sich offenbar bei „Vorteil24“: Montanus war nach eigenen Angaben dem Rahmenvertrag beigetreten und hatte mit den Krankenkassen zu normalen Preisen abgerechnet, also inklusive 19 Prozent Umsatzsteuer. Die Steuern wurden aber offenbar in den Niederlanden abgeführt. Aus diesem Preisgefälle wurde „Vorteil24“, die Differenz wurde unter den Beteiligten aufgeteilt. Die Konkurrenz aus Holland hatte über diesen vermeintlichen Kniff von Anfang an den Kopf geschüttelt.

Auf Drängen der Finanzverwaltung wurden auch die Kassen aktiv: Im Juni hatten mehrere Kassen bei ausländischen Versandapotheken Unterlagen zur Abrechnung angefragt. Das plötzliche Interesse an einer deutschen Umsatzsteueridentifikationsnummer oder dem „Nachweis für die tatsächliche Abführung der Mehrwertsteuer“ kam nicht von ungefähr: So hatte etwa die AOK Rheinland/Hamburg von der Finanzverwaltung im Rahmen einer Sonderprüfung den Hinweis erhalten, dass sie diese Daten zu Abrechnung benötige.

Die Steuerbehörden wollen jetzt offenbar durchgreifen: Laut der AOK wird der Fiskus die Steuern direkt bei den Kassen eintreiben, sollten die Versender die geforderten Daten nicht liefern. Die Finanzbehörden würden in diesem Fall von einem innergemeinschaftlichen Erwerb ausgehen, heißt es in dem Schreiben. Für „Vorteil24“ hieße das, dass die Kasse selbst noch einmal 19 Prozent Mehrwertsteuer für alle Arzneimittel abführen musste, die über das Konzept abgerechnet wurden.

Die AOK will künftig nur noch Rechnungen begleichen, die eine deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten. Dem Vernehmen nach wurden sogar schon Forderungen an eine Versandapotheke gestellt. Ob es sich dabei um Montanus handelt, war auf Nachfrage nicht zu erfahren. Ein Sprecher der Kasse sagte, man befinde sich in Abstimmung mit den Finanzbehörden. Da es sich um ein laufendes Verfahren handele, könne man jedoch keine Auskunft erteilen. Montanus-Chef Dr. Andreas Winterfeld war für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

Auch andere Kassen sind bereits aktiv geworden: Die Barmer GEK hatte die Versandapotheken ebenfalls daran erinnert, dass bei den Erstattungspreisen die deutsche Mehrwertsteuer bereits eingepreist ist: „Wie Sie wissen, richten sich die von uns vergüteten Arzneimittelpreise nach der Arzneimittelpreisverordnung, die 19 Prozent Mehrwertsteuer beinhaltet“, heißt es in einem Schreiben aus dem Juni.

Auf Nachfrage hieß es bei der Barmer: „Die Kasse prüft derzeit, ob und gegebenenfalls welche Ansprüche in Bezug auf die Arzneimittellieferungen ausländischer Apotheken in Betracht kommen.“ Nähere Angaben könne man jedoch erst nach der laufenden Prüfung machen.

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