TCM von Bayer

Der sanfte Riese

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Berlin -

Bayer, das ist Chemie und Pharma, das sind rauchende Schlote in Wuppertal und Leverkusen. Es gibt sogar eine „Coordination gegen Bayer-Gefahren“, die sich kritisch mit der Allmacht des Konzerns auseinandersetzt. Doch Bayer hat seine sanfte Seite entdeckt. Die Übernahme von Steigerwald im vergangenen Jahr war der erste Schritt ins Phytogeschäft. Nach dem Kauf des chinesischen Herstellers Dihon sollen auch Präparate der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) angeboten werden.

Bayer hat sich zum Ziel gesetzt, im OTC-Bereich zum Weltmarktführer zu werden. Die Strategie sieht neben organischem Wachstum mit den klassischen Marken massive Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie Zukäufe vor.

Der Kauf von Steigerwald war so ein Schritt. 218 Millionen Euro legte der Pharmakonzern für das Familienunternehmen mit einem Umsatz von 61 Millionen Euro auf den Tisch; ein Preis, bei dem die Mitbewerber abwinkten. Immerhin hat das Unternehmen gerade einmal 13 OTC-Präparate im Sortiment, darunter Iberogast, Laif, Phytodolor und Phytohustil.

Besonders überraschend kam vor einem Jahr die Zusage des Konzerns, Steigerwald als eigenständiges Unternehmen zu erhalten: Bayer verpflichtete sich, alle 180 Mitarbeiter zu übernehmen und die bestehenden Strukturen in Darmstadt und im Vertrieb weiterzuführen. Mit einem Exportanteil von 9 Prozent hat Steigerwald zwar noch viel Luft nach oben. Doch auch hierzulande wird sich die Eigenständigkeit irgendwann rechtfertigen lassen müssen.

Regelrecht passend kommt vor diesem Hintergrund der jüngste Zukauf im fernen Osten. Dihon vertreibt nämlich nicht nur OTC-Produkte, die teilweise in Konkurrenz zu den Bayer-Präparaten stehen, sondern hat auch traditionelle Heilmittel im Sortiment.

Bei Bayer sieht man hier Potenzial – und zwar nicht nur für China: Die traditionelle Lehre aus Fernost biete eine Alternative zu schulmedizinischen Therapien für Verbraucher, ließ sich Pharmachef Olivier Brandicourt anlässlich der Übernahme zitieren.

Da Pharma und TCM eigentlich nicht besonders gut zueinander passen, braucht Bayer also eine Zweimarkenstrategie. Das Darmstädter Tochteruntenehmen könnte dabei eine Schlüsselrolle spielen. Noch sei es viel zu früh, um über Details zu sprechen, heißt es bei Bayer. Zunächst müsse klar sein, wo genau die Märkte für TCM lägen.

Doch Brandicourts Ansage ist erfrischend klar: „Wir gehen davon aus, dass sich durch eine Kombination des kürzlich von Steigerwald erworbenen Geschäfts mit der Expertise und dem pflanzlichen TCM-Portfolio von Dihon ein zusätzlicher Nutzen für beide Bereiche erzielen lässt."

Bayer wäre übrigens nicht der einzige Pharmakonzern, der sich der Alternativmedizin zuwendet. Der Sanofi-Vorvorgänger Hoechst hatte sich zwar 1998 aus dem OTC-Geschäft zurückgezogen und das Gemeinschaftsunternehmen Cassella-med dem Partner Klosterfrau überlassen. Doch mittlerweile ist das Interesse neu erwacht.

Mit Maaloxan hat sich Sanofi bereits ein wichtiges Produkt vom Vertriebspartner zurückgeholt. Die Marken Bronchicum, Cholagogum, Contramutan, Essentiale, Melrosum und Monapax werden zwar immer noch von Klosterfrau vertrieben, gehören aber der Sanofi-Tochter Nattermann.

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