Insolvenzverfahren

AvP-Vergleich: Pro und Contra

, Uhr
Berlin -

Dr. Jan-Philipp Hoos muss im Insolvenzverfahren von AvP die Interessen vieler Gläubiger unter einen Hut bekommen. Selbst die Gruppe der geschädigten Apotheken lässt sich einteilen in solche, die gar kein Geld erhalten haben, und jene, denen kurz vor dem Zusammenbruch noch Abschläge überwiesen wurden. Letztere will der Insolvenzverwalter jetzt mit einem guten Angebot überzeugen – ohne die anderen zu verprellen. Gelingt der Spagat?

Rund 345 Millionen Euro haben Apotheken im Insolvenzverfahren angemeldet, insgesamt belaufen sich die Forderungen der Gläubiger auf 626 Millionen Euro. Damit sind die Pharmazeuten die größte Gruppe unter den AvP-Geschädigten – und mit ihnen will sich Hoos aufgrund der offenen Rechtslage bei Aussonderungsrechten und Abschlagszahlungen einigen.

Die Vergleichsangebote für die erste Gruppe hat Hoos bereits in der vergangenen Woche verschickt. Jetzt folgen die Angebote für diejenigen rund 800 Apotheken, die noch kurz vor der Insolvenz Geld erhalten hatten. Ihnen erklärt Hoos zwar lang und breit, dass die Finanzaufsicht Bafin seinerzeit längst – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – weitere Auszahlungen verboten hatte. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass Gläubiger laut Insolvenzrecht nur dann zur Rückzahlung verpflichtet sind, wenn sie von der Unrechtmäßigkeit der Zahlungen wussten. Und AvP-Chef Mathias Wettstein hatte sich bis zuletzt öffentlich mit technischen Problemen herausgeredet, argumentieren die betroffenen Apotheken.

Abschlag und Verzicht

Wer also noch Geld erhalten hat, der muss vom Insolvenzverwalter erst einmal überzeugt werden, dass er oder sie besser beraten ist, diese Abschläge in einen Vergleich einzubringen und zurückzuzahlen oder zu verrechnen, als in einem Prozess mit ungewissem Ausgang und jahrelangem Verlauf darum zu kämpfen.

Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos will die Interessen der Gläubiger ausbalancieren.Foto: White & Case

Und genau das macht Hoos mit viel Geschick. Je nach Höhe des Abschlags und der offenen Forderungen variieren die Angebote; sie alle zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie auf eine höhere Quote hinauslaufen als im „regulären“ Vergleichsangebot. Auf bis zu 80 Prozent könnten die „Abschlagsapotheken“ kommen, wenn sie eine entsprechende Überweisung bekommen haben, deutlich mehr als die kolportierten und wohl halbwegs plausiblen 45 Prozent für die übrigen Apotheken.

Attraktiv ist aber wohl auch, dass mit Rücküberweisung und/oder dem Verzicht auf weitere Forderungen der Prozess für diese Apotheken abgeschlossen ist. Sie können sich also genau ausrechnen, auf welche Quote sie kommen, während alle anderen Apotheken noch auf einen möglichst großen Zufluss an Masse hoffen müssen. Dies kann aufgrund von Zahlungen seitens der Kassen geschehen oder auch durch eine Einigung mit den Banken, bei denen er ebenfalls Auszahlungen in den letzten Tag von AvP anfechtet.

Allzu viel Zeit lässt Hoos den Apotheken nicht: Er fordert mit seinem Schreiben zur Rückzahlung der Abschläge auf und kündigt rundheraus an, dass man ohne Rückmeldung schnell in Verzug gerät. Wer sich nicht auf das Angebot einlassen will, muss auch noch dem Aufschub der drohenden Verjährung zustimmen, anderenfalls will Hoos dies einklagen.

Anrechnung auf Quorum

Angesichts der in Aussicht gestellten Quote dürften sich wohl die meisten Apotheken darauf einlassen. Vorteil für alle anderen Gläubiger: Da sie formal erst noch dem Vergleich beitreten, bevor sie die Sache für erledigt erklären, wird ihre Forderung auf das erforderliche Quorum von 80 Prozent der Summe angerechnet. Damit rückt eine Einigung näher, von der laut Hoos alle Gläubiger – allen voran eben die Apotheken – profitieren.

Und so werden sich auch diejenigen Apotheken, die schlechter gestellt sind als Kolleginnen und Kollegen mit dem Glück eines letzten Abschlags, genau überlegen, ob sie dem Vergleich – vielleicht mit Faust in der Tasche – nicht doch zustimmen sollten. 25 Prozent der Gelder, die er auf den Konten vorgefunden hat, will Hoos je nach Höhe der Forderung unter ihnen verteilen. Hinzu kommen 35 Prozent der nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahren eingegangenen oder künftig noch eingehenden Gelder. Im Gegenzug müssen die Apotheken auf ihre Aussonderungsrechte verzichten, die laut Hoos von den Gerichten bei den üblichen Verträgen nicht gesehen wurden. Danach reihen sie sich ein in die Reihe aller Gläubiger, sodass sie in einer zweiten Runde einen weiteren Anteil aus der Insolvenzmasse bekommen.

Auszahlung plus Abschreibung

Am Ende könnte es also auf eine für ein Insolvenzverfahren respektable Quote hinauslaufen, was den Ärger nicht geringer, aber vielleicht erträglicher macht. Hinzu kommen steuerliche Aspekte – die AvP-Pleite fiel mitten ins Jahr der Corona-Sondereinnahmen. Spätere Abschreibungen – etwa im Ruhestand – könnten deutlich ungünstiger ausfallen. Und womöglich lassen sich die Finanzämter sogar noch überzeugen, dass die Umsätze nie geflossen sind und daher keine Mehrwertsteuer fällig ist.

Berücksichtigt man all dies, dürfte der Deal am Ende so gestrickt sein, dass die meisten Betroffenen gerade noch zustimmen können. Genau darauf dürfte Hoos es angelegt haben. Scheitert der Vergleich, droht ein jahrelanger Rechtsstreit um die Aussonderungsrechte. Und das ist auch ein Argument des Insolvenzverwalters, der deshalb um Annahme seines Angebots bittet.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

APOTHEKE ADHOC Debatte