USA

Preis-Odyssee für einen EpiPen

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Berlin -

Das amerikanische Gesundheitssystem ist vor allem für eines bekannt: seine absurden Kosten. Wie genau die Preisbildung funktioniert, verstehen außerhalb der USA nur wenige. Handelsblatt-Korrespondentin Katharina Kort hat nun in einem unfreiwilligen Selbstversuch genauer gelernt, was es in den USA bedeutet, krank zu werden. Eine der wenigen kleinen selbstständigen Apotheken war es dann, die ihr am besten helfen konnte.

„Eine komplizierte Branche, die ich als Journalistin betreue, deren Auswüchse einem aber erst im Selbstversuch wirklich klar werden“, schreibt Kort im Handelsblatt. Die Wirtschaftsjournalistin mit jahrelanger Korrespondentenerfahrung tut ihren Dienst seit fast zwei Jahren in New York und erfreute sich bis vor kurzem ganz offensichtlich bester Gesundheit. Das änderte sich allerdings dank eines „exzellenten Shrimp-Ceviche“. Nachdem sie juckenden Ausschlag am ganzen Körper bekam und damit zum Arzt ging, eröffnete der ihr, dass sie gegen die Schalentiere allergisch ist.

Die Folge: Kort solle ab sofort einen Adrenalin-Autoinjektor bei sich tragen, um im Falle eines anaphylaktischen Schocks gewappnet zu sein. Er verschreibt ihr einen EpiPen (Epinephrin, Mylan). „Zahlen Sie nicht zu viel!“, habe ihr die Ärztin noch geraten. „Sonst rufen Sien an und wir verschreiben Ihnen einen günstigere Marke.“ Damit ging ihre Preis- Odyssee los. Zuerst versucht sie es in einer Filiale von Duane Reade, einer Walgreens-Tochter. Dort „falle ich fast um“, erinnert sie sich. „750 Dollar will die Ketten-Apotheke von mir haben.“

Sie lehnt dankend ab und ruft ihre Ärztin an, die eine Versand-Apotheke kontaktiert, um ein „deutlich günstigeres“ Generikum zu erhalten. Aber Kort ist nicht in den USA versichert, das heißt: Sie muss das Geld vorstrecken und sich dann von ihrer deutschen Versicherung zurückholen. Was es auch heißt: Die Abgabe erfolgt nicht auf Grundlage eines Rabattvertrages. Die Versandapotheke will deshalb den vollen Herstellerabgabepreis von ihr: 4000 Dollar. Ein anderes Generikum bei CVS sei in der ganzen Stadt – New York, New York, nicht Lame Deer, Montana! – nicht verfügbar.

Schließlich lande sie bei einer „kleinen, unabhängigen Apotheke“ in ihrer Nachbarschaft in Brooklyn, wo sie sich „zum Schnäppchenpreis von 350 Dollar“ eine generische Version des EpiPen sichern kann. Die Preise für ein und dasselbe Produkt, so bilanziert sie, reichen also von 350 bis 4000 Dollar. Zum Vergleich: In Deutschland kostet ein EpiPen laut Lauer-Taxe einheitlich 94,05 Euro.

Der Grund für die absurde Preisspanne in den USA ist das System der Pharmacy Benefit Manager, die im Auftrag der Versicherer mit den Apothekenketten die Arzneimittelpreise verhandeln – und dabei selbst kräftig mit verdienen. Zuvor haben aber bereits die Apotheken mit den Herstellern die Preise verhandelt. „Es gibt also Tausende Menschen, die in den USA dafür bezahlt werden, Pharmapreise zu verhandeln“, schlussfolgert Kort. „Das sind alles Gelder, die in die Statistik eingehen, nach der die USA fast 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Gesundheitssystem ausgeben. Und eben trotzdem nicht länger leben.“ In Deutschland liegt der Anteil mit rund 12 Prozent knapp ein Drittel niedriger.

Nicht für ihre Verhandlungen bezahlt werden hingegen die Millionen Kunden, die auch alle „schachern müssen, um um den besten Preis für ihre Medizin zu bekommen“. Denn während man in Deutschland in der Regel fünf bis zehn Euro entrichten muss, wenn man ein Rezept einlöst, können die Zuzahlungen in den USA extrem schwanken. „Je nachdem, ob es gerade einen Rabatt-Coupon gibt oder zu welcher Apotheke man geht.“ Bei ihrem EpiPen, den sie nur sicherheitshalber in der Tasche tragen muss, sei das nicht wirklich ein Problem. „Aber ich frage mich ernsthaft, wie man sich als Krebskranker fühlt, wenn man zusätzlich zur schweren krankheit auch noch mit Apothekern verhandeln muss.“

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