Kommentar

Die Apotheker und der Niedergang der Ärzte

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Die Marktgemeinde Leopoldsdorf in Niederösterreich - 2494 Einwohner, drei Allgemeinärzte, drei Kinderärzte, ein Zahnarzt und seit Kürzerem: eine Apotheke. Für Ärztefunktionäre ist die Raffael-Apotheke jedoch nicht irgendeine Provinz-Offizin, sondern ein Politikum: Da selbstdispensierende Ärzte einen Mindestabstand von sechs Kilometern zur nächsten Apotheke einhalten müssen, musste einer der drei Mediziner nach dem eigentlich erfreulichen Neuzugang vor zwei Jahren jetzt seine Hausapotheke schließen. Der „Fall Leopoldsdorf“ empört die Ärzteschaft: Die Kammer holt zum Rundumschlag aus.

Die Munition liefert der betroffene Mediziner: Nach dem Verlust seiner Hausapotheke hatte er kurzerhand 200 Patienten zur neuen Apotheke befragt. Fazit: 98 Prozent der Dorfbewohner finden, dass sich durch die öffentliche Apotheke „Versorgungsprobleme“ ergeben haben. Gemeint sind „mangelhafte Apothekendienstzeiten“, die sich nicht mit den Öffnungszeiten der Praxis deckten.

Die Ärzte fürchten eine massive Abwanderung von Patienten, denen die Selbstdispensation wichtiger als die ärztliche Behandlung ist: Wegen der großen Popularität der Hausapotheken machten sich immer mehr Bürger auf den Weg zu selbstdispensierenden Ärzten in der Umgebung, argumentiert die Kammer. Praxen in kleineren Ortschaften seien so nicht mehr rentabel; weil keine Nachfolger gefunden werden, müssten viele Sitze schließen.

Der Umfrage zufolge haben sich die Leopoldsdorfer auch über das zu kleine Sortiment der Apotheke beschwert: Oft seien mehrere Besuche nötig, um das gewünschte Präparat zu erhalten. Nicht nur, dass sich die Kopplung von Verordnung und Abgabe im Sortiment niederschlägt: Die Ärzte machten sich einen Spaß daraus, bei jeder Verordnung, die außer Haus geht, den Hersteller zu wechseln, munkeln die österreichischen Apotheker. Bei den Präparaten der Hausapotheke sei schon eher ein roter „Verschreibungsfaden“ zu erkennen.

Bislang hält sich der durch Apotheken angerichtete wirtschaftliche Schaden in Grenzen: „Deswegen musste bisher kein Arzt schließen“, räumt ein Ärztesprecher ein. Den Patienten solcher Gemeinden drohe jedoch ein Horror-Szenario: „Das Aussterben der Versorgung mit Medikamenten“.

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