Corona-Impfung in der Apotheke

Ärzte stoppen Apotheker-Fortbildung

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Berlin -

Die österreichischen Apotheken wollen impfen – und zwar nicht nur gegen Grippe oder gegen Corona, sondern gleich gegen eine ganze Reihe von Erkrankungen. Der Bedarf ist da, rechnet die Kammer vor und hat gemeinsam mit dem Roten Kreuz Oberösterreich bereits im März mehr als 500 Apotheker:innen schulen lassen. Doch dann fuhr die Ärztekammer ihr in die Parade und ließ die Fortbildungen mit einem juristischen Winkelzug stoppen. Die Apothekerkammer will nun ins Ausland ausweichen.

„Da werden rechtliche Fragen vorgebracht, aber letztlich ist es ein standespolitisches Kalkül, zu sagen, die Apotheken können das nicht, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie es gar nicht lernen können“, erklärt ein Sprecher der Österreichischen Apothekerkammer. „Da geht es nicht um die Steigerung der Durchimpfungsraten.“ Der Frust bei den österreichischen Apotheker:innen ist groß: Der Blick in andere Länder zeige eindeutig, welchen positiven Beitrag Impfungen in Apotheken zur Durchimpfungsrate der Bevölkerung leisten können, argumentiert die Kammer. Und sowohl Bedarf als auch Bereitschaft seien gegeben: 59 Prozent aller Österreicher:innen würden sich laut einer von der Kammer in Auftrag gegebenen Studie generell in der Apotheke vor Ort impfen lassen. 53 Prozent sind demnach der Meinung, dass die Apotheker:innen in die Corona-Impfkampagne eingebunden werden sollten.

Außerdem werde nach derzeitigem Wissensstand davon ausgegangen, dass künftig ein bis zwei Corona-Impfungen pro Jahr notwendig sein werden. „Das bedeutet, dass jedes Jahr viele Millionen Corona-Impfungen in Österreich durchgeführt werden müssen. Für diese regelmäßigen notwendigen Auffrischungsimpfungen bedarf es einer Vielzahl an Impfstellen, die – auch nach Einschätzung der Österreichischen Gesundheitskasse – weit über den derzeitigen Stand hinausgehen“, so die Apothekerkammer am Montag. Das Impf-Angebot der Apotheken gelte daher nicht nur für die Covid-19-Impfung, sondern explizit auch für andere gängige Auffrischungs-Impfungen wie Influenza oder FSME, bei denen Aufholbedarf und entsprechendes gesundheitspolitisches Interesse an einer Steigerung der Impfraten besteht.

Die Apothekerkammer hat ihre Mitglieder deshalb bereits auf künftige Aufgaben vorbereitet und gemeinsam mit dem Roten Kreuz eine dreitägige Fortbildung auf die Beine gestellt, die – wie bei den Modellprojekten zu Grippeschutzimpfungen hierzulande – aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht. Im Theorieteil wurden Immunologie, Impfstoffe, Impftauglichkeit und ausgewählte impfpräventable Infektionskrankheiten und deren Schutzimpfungen behandelt. Der Praxisteil hat die Injektionstechnik und spezifische Erste Hilfe zum Thema. 440 Apotheker:innen ließ die Kammer in Österreich ausbilden, über 90 in der Schweiz.

Einer der in Österreich geschulten Apotheker war Martin Ataii. „Wir sind vorbereitet“, sagt der Pharmazeut, der in der Stadtapotheke Imst arbeitet. „In der Pandemiebekämpfung ist es ganz wichtig, dass Impfungen niederschwellig angeboten werden.“ Warum sollten Apotheken dieses Angebot nicht auf Basis der Freiwilligkeit machen, fragt er sich: „Unsere Kunden fragen uns schon danach.“ Ataii ist auch als Rettungssanitäter tätig. „Darüber darf ich impfen, aber nicht in der Apotheke.“

Dass er in seiner Funktion als Rettungssanitäter impfen darf, würde ihm auch kein Arzt in Abrede stellen. Das Problem sind geschulte Apotheker – zumindest aus Sicht der Ärztekammer Oberösterreich. „Impfen ist eine ärztliche Tätigkeit, das ist die gesetzliche Lage“, sagt Ärztepräsident Dr. Peter Niedermoser. Apotheken sei es nicht gestattet, dies anzubieten. Den österreichischen Bürgern könne ein niederschwelliges Angebot gemacht werden, betont er: „Wir haben nicht das Problem, dass wir nicht genug Ärzte haben, sondern dass wir zu wenig Impfstoff haben.“ Es sei nicht notwendig, neben dem Angebot in Praxen und Impfzentren eine dritte Schiene aufzubauen.

Impfen sei mehr, als eine Nadel in einen Arm zu stecken, betont Niedermoser. „Es besteht auch die Notwendigkeit, mit Komplikationen zurechtzukommen, auch wenn diese selten sind.“ Apotheker seien keine Ärzte und nicht ausreichend geschult. „Jeder soll das machen, was er gelernt hat. Wenn jemand impfen will, hätte er nicht Pharmazie studieren sollen.“ Apotheker erfüllten wichtige Aufgaben und das solle auch so bleiben. Niedermoser übte deshalb Druck auf das Rote Kreuz Oberösterreich aus, die Fortbildung einzustellen – und hatte mit einem rein juristischen Argument Erfolg.

Denn offiziell stört sich die Ärzteschaft nicht an impfenden Apothekern selbst, sondern deren Fortbildungen. In Österreich gibt es nämlich ein sogenanntes Ausbildungsvorbehaltsgesetz und dem zufolge dürfen Apotheker nicht von Ärzten geschult werden, was ja bei den Impffortbildungen eindeutig der Fall sei – so zumindest sieht Niedermoser.

Bei der Apothekerkammer sieht man das ganz anders. „Das Ausbildungsvorbehaltsgesetz wurde geschaffen, um unseriösen Anbietern von Heilpraktiker-Ausbildungen und dergleichen einen Riegel vorzuschieben“, erklärt sie auf Anfrage. „Mit der Impf-Fortbildung der Österreichischen Apothekerkammer hat das nichts zu tun. Die Apothekerinnen und Apotheker haben das Recht und die Pflicht, sich fort- und weiterzubilden – ganz besonders, wenn es um Inhalte geht, die ohnehin auch pharmazeutischer Natur sind. Impfstoffe sind Arzneimittel. Ein Verbot für Apothekerinnen und Apotheker, sich über die Anwendung bestimmter Arzneimittel fortzubilden, kann dem Ausbildungsvorbehaltsgesetz unmöglich unterstellt werden.“ Es handele sich deshalb um eine zulässige Fortbildung im Rahmen des Apothekerberufes, die dem Ausbildungsvorbehaltsgesetz nicht unterliegt. Diese Rechtsansicht habe die Österreichische Apothekerkammer auch durch zwei voneinander unabhängige Rechtsgutachten absichern lassen.

Auch Einwände aus der Ärzteschaft, dass die Apotheker:innen mangels Medizinstudium nicht ausreichend auf seltene heftige allergische Reaktionen bei Impfungen reagieren könnten, weist die Apotekerkammer zurück: „Selbstverständlich umfasst die Fortbildung für Apothekerinnen und Apotheker auch alle Kenntnisse und Fertigkeiten, um akute Impfreaktionen kompetent und professionell zu versorgen.“ Bei einem sehr seltenen anaphylaktischen Schock sei in der Regel zusätzlich zur Erstversorgung die Verständigung des Notarztes indiziert – und zwar auch wenn der anaphylaktische Schock in der Ordination eines Arztes auftritt. „So besteht auch die von der Ärztekammer vorgegebene Notfallvorsorge in Ordinationen im Wesentlichen aus der Erstversorgung des Patienten bis zum Eintreffen des Notarztes.“

Aus Sicht der Apothekerkammer ist die Intention Mosers klar: Es gehe darum, Standespfründe zu sichern. „Ein zusätzliches Impfangebot in Pandemiezeiten aus standespolitischen Überlegungen zu bekämpfen, ist für große Teile der Bevölkerung kaum nachzuvollziehen“, so die Kammer. Apotheker:innen würden zu den am besten ausgebildeten Expert:innen im österreichischen Gesundheitswesen gehören und über jahrelange Erfahrung in der Impfberatung verfügen. Außerdem seien die Impfungen in den Apotheken als ergänzendes Angebot angesichts absehbar hoher Nachfrage gedacht – es gehe also mitnichten darum, den Ärzten irgendetwas wegzunehmen.

Die Standesvertretung der Apotheker will das Feld jedenfalls nicht kampflos räumen. Es müsse nun Rechtssicherheit hergestellt werden, heißt: klargestellt werden, dass die Apothekerfortbildung nicht vom Ausbildungsvorbehaltsgesetz betroffen ist. Und wenn ihnen der Fortbildungsweg in Österreich verbaut werden sollte, wollen sie eben ausweichen. „Sollte die Durchführung der praktischen Impf-Fortbildung mit einem Arzt oder einer Einrichtung in Österreich aufgrund rechtlicher Drohgebärden gegenüber unseren Fortbildungspartnern wie dem Roten Kreuz Oberösterreich nicht möglich sein, werden wir diese Fortbildung im benachbarten Ausland oder mit ausländischen Partnern in Österreich fortsetzen, um den österreichischen Apothekerinnen und Apothekern eine im Sinne der gesamtgesellschaftlichen Impfprävention zeitgemäße Impf-Fortbildung zu ermöglichen“, so die Kammer.

Ataii klingt da weniger kämpferisch. Er hat wenig Hoffnung, dass sich die Apothekerschaft gegen die Ärzte durchsetzen kann. „Das ist ein Politikum. Es geht hier um das Ansehen der Ärzte, die nichts abgeben wollen. Wir hatten auch schon bei den Antigen-Schnelltests einen Wirbel. Dabei müssten die Ärzte froh sein, dass wir ihnen Arbeit abnehmen.“ Die Lobby der Ärzte sei in Österreich „ziemlich stark“ im Vergleich zu den Apothekern. Mit dem neuen Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein, der selbst Arzt ist, sehe er wenig Chancen, dass Impfen in der Apotheke angeboten werde. „Dabei ist es auch bei Influenza und FSME sinnvoll.“

 

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