Liberales Dispensierrecht gefordert

Ärzte: „Apotheken-Krise auf dem Land“

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Berlin -

Die österreichische Ärztekammer (ÖÄK) fordert ein neues Apothekengesetz für die Alpenrepublik. Das aktuelle Regelwerk sei überaltert und müsse vor allem in einem Bereich reformiert werden: Hausapotheken. Ärzte sollen demnach einfacher als bisher die Möglichkeit erhalten, zu dispensieren – auch wenn echte Apotheken um die Ecke liegen. Dass denen diese Konkurrenz die Existenzgrundlage entziehen könnte, glauben die Ärzte nicht. Die Apotheken hätten mit einer anderen Konkurrenz viel mehr zu tun.

Österreichische Gemeinden müssten immer öfter ohne eigene Arzneimittelversorgung auskommen. Während man hierzulande auf Rezeptsammelkästen setzt, dürfen Ärzte in Österreich unter bestimmten Bedingungen selbst eine kleine Apotheke unterhalten und Arzneimittel abgeben. Für viele Ärzte auf dem Land ist es mehr als ein kleines Zubrot, in vielen Fällen sind die Einkünfte aus dem Arzneimittelgeschäft existenzsichernd für die Dorfpraxen. Das Thema sorgt in den letzten Monaten für heftige Debatten – nicht nur zwischen den Heilberufsgruppen, sondern auch in der Bevölkerung. Die Ärztekammer hat nun Stellung bezogen und vor einer sich zuspitzenden Versorgungskrise auf dem Land gewarnt. Ihre Forderung: Hausapotheken für alle.

Für die Ärzteschaft sind die Apotheken diejenigen, die ihnen das Geschäft streitig machen: Immer mehr Hausapotheken in ländlichen Bereichen müssten aufgrund von öffentlichen Apotheken schließen, kritisierte der Vizepräsident Dr. Johannes Steinhart, am Dienstagmorgen auf einer eigens zu dem Thema einberufenen Pressekonferenz. „Wir steuern auf eine veritable Krise zu“, so Steinhart. „Es geht um die Standardversorgung. Die wirklich Notleidenden sind die Bewohner.“

Dabei sieht Steingart die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung offensichtlich primär in der Hand der Ärzte – die jedoch durch ein antiquiertes Apothekengesetz daran gehindert würden, ihrer Arbeit nachzukommen. „Das Apothekengesetz stammt von 1907. Damals war die Herstellung von Arzneimitteln und die Versorgung völlig anders“, kritisiert Dr. Silvester Hutgrabner, Leiter des Referates für Landmedizin und Hausapotheken. Es stehe darin aber bereits explizit, dass die ärztliche Versorgung im ländlichen Bereich durch Hausapotheken erfolgen müsse. „Wir benötigen ein neues Apothekengesetz und Rechtssicherheit“, so Hutgrabner.

Auch Steinhart fordert ein duales System aus öffentlichen und Hausapotheken – das es ja bereits gibt. „Wir schätzen die Zusammenarbeit mit den Apotheken, aber wir haben ein überholtes Regulativ, das geht so nicht mehr“, so der 64-jährige Urologe. Was die Ärztefunktionäre aber wirklich meinen: Die Abstandsregelung zur nächsten echten Apotheke müsse gekippt werden. Denn eine Hausapotheke darf nach aktuellem Recht nur eröffnet werden, wenn die nächste öffentliche Apotheke mindestens sechs Kilometer entfernt ist. Eröffnet eine öffentliche Apotheke, ist die Hausapotheke deshalb überflüssig und muss geschlossen werden.

Diese Regelung führte in der jüngeren Vergangenheit bereits zu größeren Konflikten. Die Ärzteschaft will sie nun ganz abschaffen. „Die Kilometerreglung muss fallen, die festgeschriebenen Mindestentfernung zwischen Hausapotheken und öffentlichen Apotheken sind nicht im Sinne einer Patientenversorgung“, fordert Steinhart. „Allein damit wären viele Probleme gelöst.“ Hutgrabner versucht unterdessen, dem Thema einen Umweltaspekt hinzuzufügen: „Es werden Millionen Kilometer gefahren, nur damit Angehörige Medikamente abholen, weil die Distanz zur nächsten Apotheke zu groß ist.“

Die Apothekerschaft wendet ein, dass die flächendeckende Einrichtung von Hausapotheken die wirtschaftliche Grundlage der verbleibenden Apotheken zunichtemachen würde. „Du kannst gegen eine Hausapotheke nicht konkurrieren“, konstatierte kürzlich der Präsident der Apothekerkammer Burgenland, Dieter Schmid. Von den 44 Apotheken im Bundesland würden im Falle einer Liberalisierung der Hausapothekenregelungen 30 schließen müssen, so Schmid. Bei der Ärzteschaft teilt man diese Befürchtung nicht. „Die wahre Konkurrenz für Apotheken sind die Angebote im Internet, nicht die Hausapotheken von Ärztinnen und Ärzten, die eine reine medikamentöse Grundversorgung bereitstellen“, so Hutgrabner.

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