Störungen des Geruchssinns

Covid-19: Schädigung der Riechschleimhaut?

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Berlin -

Viele Covid-Patienten leiden unter einem gestörten Geschmacks- und Geruchssinn. Noch immer versuchen Forscher herauszufinden, worauf dieses Phänomen zurückzuführen ist. Ein Team der Johns Hopkins University School of Medicine aus Baltimore will nun eine Störung der Riechschleimhaut als Ursache ermittelt haben. Die Erkenntnisse decken sich allerdings nicht mit anderen Untersuchungen.

Für ihre Analyse erforschte das Team Gewebeproben von 23 Menschen. Diese waren ihnen bei Operationen der Nase entnommen worden, die aus verschiedenen Gründen durchgeführt werden mussten, darunter Tumore und chronische Sinusitis. Mithilfe von Leuchtmarkern konnten die Forscher unter dem Mikroskop in den Zellen der Riechschleimhaut extrem hohe Mengen des ACE-2-Enzyms nachweisen – bis zu 700-Mal mehr als in Geweben anderer Körperregionen.

Anosmie durch Schädigung der Riechzellen?

ACE-2 war in der Vergangenheit häufiger im Zusammenhang mit Covid-19 in den Fokus gerückt, da es bisherigen Erkenntnissen zufolge eine zentrale Rolle beim Eindringen von Sars-CoV-2 in die Körperzellen spielt. Proteine auf der Virushülle docken an die ACE-2-Rezeptoren an und ermöglichen so den Zelleintritt. Dadurch wird schließlich die Infektion mit Sars-CoV-2 ausgelöst und in Gang gesetzt.

Da sich ACE-2 den Forschern zufolge in hohen Mengen in der Riechschleimhaut befindet, könnte dadurch der Riech- und Geschmacksverlust der Covid-Patienten erklärt werden. Dennoch müssten die Ergebnisse weiter überprüft werden, merkt das Team an. Bestätigt sich die Erkenntnis, so könnten antivirale Therapien, die direkt in die Nase appliziert werden, eine mögliche Behandlungsoption darstellen.

Studien liefern unterschiedliche Hinweise

Erst kürzlich hatten sich Forscher der Harvard Medical School in Boston mit der Anosmie beschäftigt. Ihre Ergebnisse stimmen jedoch nicht mit denen der Johns Hopkins University überein: Denn sie gehen nicht davon aus, dass Sars-CoV-2 die Sinneszellen des Riechepithels befällt. Die Störung sei vielmehr auf eine Schädigung der sogenannten „Stützzellen“ zurückzuführen.

Grund für die Annahme: Der Verlust des Riechvermögens hält bei vielen Covid-Patienten noch lange an, während die anderen Beschwerden bereits vorüber sind. Nach einigen Wochen kommt das Riechvermögen in den meisten Fällen dann langsam wieder und die Patienten erholen sich von der Anosmie. Diese Tatsache macht den Forschern zufolge den Befall des Riechepithels unwahrscheinlich. Denn dann würden die Symptome erst nach Monaten abklingen ­– nämlich dann, wenn sich die Sinneszellen aus den Stammzellen der Riechschleimhaut regeneriert haben.

Um die Ursache für die Riechstörungen zu finden, durchsuchten die Forscher zunächst Datenbanken zur sogenannten Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq). Diese analysiert die Boten-RNA der Zellen und ermöglicht so festzustellen, welche Proteine gerade in einer Zelle gebildet werden. Dabei fanden sie heraus, dass in den Riechzellen weder das ACE-2- noch das TMPRSS2-Gen abgerufen wird – beide sind für den Eintritt in die Körperzelle notwendig. Stattdessen wurde klar, dass beide Proteine in den sogenannten „Stützzellen“ gebildet werden. Diese umschließen die Sinneszellen und besitzen, ähnlich wie Glia-Zellen, eine Nährfunktion. Um ihre Ergebnisse zu untermauern, wurde das Riechepithel bei Mäusen mithilfe von Methimazol – einem Wirkstoff, der bekannt dafür ist eine Anosmie auszulösen – zerstört. Anschließend beobachteten die Wissenschaftler die Expression von ACE-2 und TMPRSS2 während der Regeneration in den Stützzellen. Bei diesem Experiment konnten die vorherigen Ergebnisse bestätigt werden.

 

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