Nach Bericht der Sachverständigen

Corona-Konzept für den Herbst – eine Übersicht

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Berlin -

Bund und Länder drücken bei der Vorbereitung von Corona-Auflagen für den Herbst etwa zum Maskentragen aufs Tempo. Innerhalb der Regierung werde man sich zügig auf Schutzmaßnahmen verständigen, kündigten Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) nach der Vorlage eines Sachverständigengutachtens in Berlin an. Die Expertinnen und Experten hatten Schutzmaßnahmen wie das Maskentragen als wirksam beurteilt, hinter andere Auflagen hingegen Fragezeichen gesetzt. Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder forderte den Bund auf, „alle notwendigen Schritte und Maßnahmen“ zur Abwehr einer Herbstwelle zu ergreifen.

In seinem mit Spannung erwarteten Gutachten zur Überprüfung der bisherigen Corona-Auflagen vermied der Sachverständigenausschuss zu vielen Punkten klare Aussagen – mangels ausreichender Daten seien keine sicheren Bewertungen möglich. „Wir haben eine schlechte Datenlage“, sagte der Virologe Hendrik Streeck.

Positives Urteil über Masken und Tests

Streeck stellte aber fest: „Masken wirken – das muss man deutlich sagen.“ Zugleich stellt der Bericht heraus: „Eine schlecht sitzende und nicht eng anliegende Maske hat jedoch einen verminderten bis keinen Effekt.“ Da das Coronavirus drinnen eher übertragen werden könne als draußen, „sollte eine Maskenpflicht zukünftig auf Innenräume und Orte mit einem höheren Infektionsrisiko beschränkt bleiben“, rät das Gremium. Eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken gaben die Sachverständigen ausdrücklich nicht.

Einen hohen Effekt messen die Expert:innen

Zugangsbeschränkungen auf Geimpfte, Genesene und/oder Getestete bei, sogenannten 2G/3G-Maßnahmen – aber vor allem in den ersten Wochen nach der Boosterimpfung oder der Genesung. In der aktuellen Phase der Pandemie sei die Beurteilung der Wirkung solcher Beschränkungen schwierig. Wenn diese nötig würden, sollte zunächst eine Testung unabhängig vom Impfstatus als Zutrittsbedingung empfohlen werden. Wie gut eine Eindämmung über Testung funktionieren könne, müsse aber weiter erforscht werden.

Lockdowns und Schulschließungen

„Wenn erst wenige Menschen infiziert sind, wirken Lockdown-Maßnahmen deutlich stärker“, heißt es in dem Gutachten. Je länger ein Lockdown dauere und je weniger Menschen bereit seien, die Maßnahme mitzutragen, desto geringer sei der Effekt. Ähnlich wie bei den Lockdown-Maßnahmen sei auch die Kontaktnachverfolgung vor allem in der Frühphase der Pandemie wirksam gewesen.

Offen sei die genaue Wirksamkeit von Schulschließungen auf die Eindämmung der Ausbreitung des Virus. Die „nicht-intendierten Wirkungen“ seien aber untersucht worden. Eine weitere Expertenkommission sollte nicht beabsichtigten Folgen „unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls“ genau prüfen, so das Gutachten. Die Sachverständige Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, sagte, nötig sei „so etwas wie ein Rechtsanspruch auf ein Mindestmaß an sozialen Kontakten“. Es habe einen „Rückfall in alte Geschlechterrollen“ und ein „unglaubliches Ausmaß an mentaler Erschöpfung“ gegeben.

Vorgehen der Regierung

Lauterbach sagte, die Verhandlungen zwischen ihm und Buschmann über die künftigen Maßnahmen hätten noch am Tag der Übergabe des Gutachtens begonnen. Vor allem die FDP hatte die Evaluierung abwarten wollen. „Wir arbeiten konstruktiv und sehr schnell in Vertraulichkeit, und wir müssen für den Herbst gut vorbereitet sein“, betonte Lauterbach. Es gebe eine Sommerwelle, sie werde nicht von alleine verschwinden. Er erwarte „eine schwere Herbstwelle“.

Buschmann sagte in einem separaten Statement, er sei sehr zuversichtlich, dass im Laufe des Juli in der Koalition ein guter Vorschlag gemacht werden könne. Es gebe große Einigkeit in mehreren Punkten. So habe die Maske in Innenräumen dem Gutachten zufolge ein sehr gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Sie werde daher natürlich eine Rolle im Schutzkonzept haben. Eingriffe wie Lockdowns, Schulschließungen und Ausgangssperren seien hingegen nicht mehr verhältnismäßig. Psychosoziale Folgen von Schutzmaßnahmen vor allem für Kinder müssten stärker berücksichtigt werden.

Weiter Bürgertests

Trotz des Wirbels um die Abrechnung soll es nach Auskunft von Lauterbach weiter Corona-Bürgertests geben. Die Diskussionen änderten nichts daran, „dass die Bürgertests auch weiter zur Verfügung stehen“, sagte Lauterbach. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die für die Abrechnungen zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen hatten erklärt, dass sie Bürgertestungen „zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen können“. Lauterbach sagte: „Die Bürgertests verhindern Infektionsketten.“ Die KBV wolle aber Klarheit haben, wie die Neuregelung umzusetzen sei. Die Tests gibt es seit Donnerstag nun nur noch für Risikogruppen und andere Ausnahmefälle. „Wir werden in den nächsten Tagen zu guten Regelungen kommen“, so der Minister.

Länder fordern Rechtsbasis

Die Bundesländer pochten per Beschluss ihrer Gesundheitsministerinnen und -minister auf eine Rechtsbasis für Corona-Auflagen im Herbst. Sie bräuchten rasch Gewissheit über die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Nötig seien die Möglichkeit einer Maskenpflicht und von Abstandsgeboten in Innenräumen. Die Länder sollten auch Testpflichten anordnen können – insbesondere für Einrichtungen mit Risikogruppen, bestimmte Gemeinschaftseinrichtungen und Schulen oder Kitas. Einrichtungen wollen sie zudem Vorgaben zu Hygienekonzepten machen können.

Grundlage für Impfkampagne

Mit dem Beschluss erster praktischer Regelungen für den Corona-Kurs im Herbst brachte das Bundeskabinett unter anderem Regelungen für weitere Impfungen auf den Weg. Lauterbach hatte eine neue Impfkampagne angekündigt. Auch genauere Daten und verstärkten Schutz von Risikogruppen in Pflegeeinrichtungen soll es geben. Die Rechtsgrundlagen für Corona-Impfungen sollen bis 30. April 2023 verlängert werden. In den Kliniken sollen freie und belegte Betten erfasst und zentral gemeldet werden.

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