Arztstempel

Ersatzkassen verlängern Friedenspflicht

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Berlin -

Apotheker müssen beim Arztstempel ab sofort ganz genau hinschauen: Denn die dreimonatige Friedenspflicht, die viele Krankenkassen eingegangen waren, läuft heute aus. Immerhin: Die Ersatzkassen und die Schwenninger Krankenkasse haben angekündigt, in dieser Hinsicht unvollständige Rezepte bis Ende März nicht zu retaxieren. Auch die BKKen wollen sich zurückhalten.

Eigentlich gelten die neuen Vorgaben der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) bereits seit Anfang Juli. Seitdem müssen der Vorname und die Telefonnummer des verschreibenden Arztes auf dem Rezept stehen. Viele Praxen waren offenbar nicht vorbereitet. Die Angst der Apotheker vor Retaxationen führte dazu, dass in vielen Apotheken Rezepte gesammelt und zur Korrektur an den Arzt gegeben oder sogar Patienten zurück in die Praxis geschickt wurden. Apotheker Klaus Mellis aus Krefeld warb bei den Patienten um Verständnis.

Viele Krankenkassen entschieden sich deshalb für eine Friedenspflicht. Den Anfang machten die Ersatzkassen: Die DAK-Gesundheit, die Techniker Krankenkasse (TK), die Barmer GEK, die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), die Hanseatische Krankenkasse (HEK) und die Handelskrankenkasse (HKK) kündigten bereits am 1. Juli an, drei Monate lang nicht retaxieren zu wollen.

Nach und nach erklärten immer mehr Kassen, zunächst auf Retaxationen zu verzichten, darunter die Knappschaft-Bahn-See (KBS) und die Schwenninger Krankenkasse. Auch im AOK-Lager soll die Rezeptprüfung „mit Augenmaß“ vorgenommen werden. Die Friedenspflicht gilt für alle Rezepte, die noch im September ausgestellt werden – also nicht für Rezepte, die ab morgen aus den Arztpraxen kommen.

Insgesamt haben inzwischen viele Arztpraxen die neuen Vorgaben umgesetzt. Das legen zumindest die Ergebnisse einer Umfrage der Apothekerverbände Hamburg und Schleswig-Holstein nahe. 42 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass die Ärzte die neuen Vorgaben inzwischen schon deutlich konsequenter umsetzten. Weitere 52 Prozent meinten, es gebe zumindest eine langsame Verbesserung bei der formalen Qualität der Verschreibungen.

Probleme gibt es den Umfrageteilnehmern zufolge vor allem bei Gemeinschaftspraxen und Krankenhäusern. „Besonders bei Bundeswehr- und Polizeirezepten ist die Info noch nicht angekommen“, kritisierte ein Teilnehmer. Ärzte seien zum Teil der Meinung, dass die Vorgaben nicht für Privatrezepte gälten, monierte ein weiterer Apotheker. Das Hauptproblem sind laut Umfrage fehlende Vornamen, dahinter folgen die fehlende Kennzeichnung des Verordners, fehlende Telefonnummern und Fehler bei der Berufsbezeichnung und dem Arztnamen.

Ende August kündigte die TK, die Frist bis Ende März zu verlängern. „Wir sehen uns nicht als Aufsichtsbehörde zur Kontrolle der Arbeit zwischen Arzt und Apotheker“, so Tim Steimle, Leiter Fachbereich Arzneimittel der TK. „Retaxierungen sind nicht zur Sanktionierung von kleinen Formfehlern gedacht, sondern sollen die Umsetzung der Rabattverträge sicherstellen.“ Auch die anderen Ersatzkassen wollen mit Rechnungskürzungen warten, sagte ein Sprecher der DAK-Gesundheit. Der BKK-Dachverband habe an seine Mitglieder eine ähnliche Empfehlung ausgesprochen, so ein ABDA-Sprecher.

Die Schwenninger Krankenkasse zog Mitte September nach, „um weiterhin eine reibungslose Versorgung zu gewährleisten“, wie die Kasse mitteilte. Felix Troester, Apotheker der Schwenninger, erklärte: „Wegen kleinerer Formfehler dürfen sich deshalb keine Nachteile ergeben.“ Vorname und Telefonnummer des Verschreibenden seien insbesondere für die Apotheke zur Kontaktaufnahme von Bedeutung.

Aus Sicht des DAV sind Retaxationen beim Fehlen der Telefonnummer daher ohnehin nicht angezeigt. Die Nummer diene lediglich dazu, den Apothekern die Kontaktaufnahme mit dem Arzt zu erleichtern, sei also eine Unterstützungsleistung für den Apotheker, heißt es. Grundsätzlich sei außerdem zu beachten, dass sich die Vorgaben der AMVV primär an den Arzt richteten. Rein vorsorglich hatte der DAV den Apotheken dennoch empfohlen, auf die Neuerungen zu achten.

Dass die Krankenkassen Schonfristen vereinbart haben, legt allerdings den Verdacht nah, dass sie Retaxationen durchaus für akzeptabel halten. Tatsächlich betonte die Schwenninger in ihrer ersten Ankündigung noch, Rechnungen nur vorerst nicht zu kürzen: „Fehlt eine dieser Informationen, ist es einer Krankenkasse möglich, die Verordnung zu retaxieren.“

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