Bundessozialgericht

Retax-Klatsche für AOK

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Berlin -

Die AOK Bayern hat vor dem Bundesozialgericht (BSG) eine empfindliche Schlappe erlitten: Zwar ging es in dem Retax-Streit nur um einen dreistelligen Betrag – die Kasse muss nach dem Spruch der Kasseler Richter aber ihre komplette Retaxationspraxis bei Verwürfen korrigieren. Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Mehrere Apotheker:innen dürften ihre Parallelverfahren nun ebenfalls gewinnen.

Bei der Herstellung parenteraler Zubereitungen wird mit dem verordneten Fertigarzneimittel nach ärztlicher Dosierungsangabe eine applikationsfertige Infusion hergestellt. Der Rest der Stammlösung ist, sofern er nicht für eine anderweitige Verordnung eingesetzt wird, der sogenannte Verwurf.

Gestritten wurde um die Vergütung von Verwürfen von 13 Zytostatika-Verordnungen aus dem Mai 2012. Die AOK hatte die Mehrkosten für den Verwurf – wie auch in vielen anderen Fällen – retaxiert, insgesamt 828,50 Euro. Der Apotheker berief sich auf die zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband vereinbarte Hilfstaxe. Dort ist in Anlage 3 geregelt, was ein unvermeidbarer Verwurf ist. Gemeint sind Anbrüche, „deren Haltbarkeit überschritten ist oder die aus rechtlichen Gründen nicht in einer anderen Rezeptur verarbeitet werden dürfen“.

Die Verwürfe können der letzten Krankenkasse in Rechnung gestellt werden, die aus der Zubereitung „bedient“ wurde. Das Verfahren ist eingespielt und läuft mit anderen Kassen dem Vernehmen nach auch gut, die AOK Bayern war insoweit stets ein Sonderfall. Sie verweist regelmäßig auf die chemisch-physikalische Stabilität der Anbrüche, die nach den einschlägigen fachlichen Informationen und Erkenntnissen zu bemessen sei. Der Apotheker dürften sich nicht allein an der Hilfstaxe orientieren.

Das Sozialgericht Nürnberg hatte die AOK in erster Instanz im Mai 2021 zur Zahlung der retaxierten Beträge nebst Zinsen verurteilt. „Die Retaxierungen der Beklagten erfolgten daher alle zu Unrecht“, hieß es im Urteil. Die Verwürfe seien nach der geltenden Hilfstaxe unvermeidbar und abrechnungsfähig gewesen. Die Hilfstaxe sei wiederum ein von den Vertragspartnern vereinbartes Preisrecht, mit dem Haltbarkeitszeiten von Wirkstoffen für eine Abrechnungsfähigkeit festgelegt seien.

Das Sozialgericht hatte die Sprungrevision zum BSG zugelassen. Die AOK rügte in ihrer Revision die Vereinbarkeit der Verwurfsregelungen der Hilfstaxe mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz. Die Vertragspartner – DAV und GKV-Spitzenverband – hätten mit der Festlegung der Abrechnungsfähigkeit in der Hilfstaxe ihre Kompetenzen überschritten, weil sie mit den getroffenen Regelungen erheblich unwirtschaftliches Abrechnen der Apotheken ermöglichten.

Das BSG hat diese Entscheidung nun bestätigt: „Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass ungenutzte Teilmengen zytostatikahaltiger Arzneimittelzubereitungen als so genannter Verwurf gesondert zu vergüten sind, wenn diese nicht innerhalb von 24 Stunden in weiteren Rezepturen verwendet werden konnten und wirkstoffbezogene Sonderregelungen nicht vorgehen“, so das Gericht in einer Zusammenfassung der Entscheidung.

Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Laut Prozessbeobachtern sollen die Richter der AOK in der mündlichen Verhandlung relativ deutlich gemacht haben, dass es keinen Zweifel an der Gültigkeit der Hilfstaxe gibt. Sobald das schriftliche Urteil vorliegt, dürften auch mehrere andere Verfahren von Apotheken gegen die AOK Bayern schnell zu Ende gebracht werden. Diese wurde mit Verweis auf das BSG-Verfahren größtenteils ruhend gestellt. In Einzelfällen geht es um sechsstellige Beträge, die die AOK retaxiert hat.

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