„Festgestellt, dass es ein undankbarer Beruf ist“

PTA berichten: Deshalb macht uns Apotheke krank

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Berlin -

Die Arbeit in der Apotheke hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Für einige PTA so sehr, dass sie sich ganz vom HV-Tisch abgewendet haben. Andere überlegen, wie sie ihre Nebentätigkeit ausbauen und die Stunden in der Offizin reduzieren können. Drei PTA berichten, warum Apotheke sie krank gemacht hat und was ihnen bei der Arbeit fehlt.

2010 begann Pia Larissa Grefen nach der PTA-Ausbildung ihre Arbeit in einer Vor-Ort-Apotheke. „Ich war immer sehr gerne PTA und habe den Job sehr gerne gemacht“, sagt sie rückblickend. Sie war in verschiedenen Apotheken tätig. Doch vor etwa zwei Jahren kam der Wendepunkt: „Der große Wandel kam in der Coronazeit, als die Arbeit und überhaupt alles schwieriger wurde, zum Beispiel auch mit den Impfpass-Fälschungen. Ich fühlte mich nicht mehr wertgeschätzt, war gefühlt nur die doofe Verkäuferin“, sagt die 35-Jährige.

In dieser Zeit habe man deutlich gespürt, welchen Stellenwert die Apotheke in der Gesellschaft habe – „nämlich keinen“, stellt Grefen ernüchtert fest. „Es hieß nur, die Apotheke stopft sich die Taschen voll, und keiner hat gesehen, welche Arbeit dahintersteckt. Das war mir alles zu viel.“ Natürlich gebe es Ausnahmen und gerade die ältere Generation lege viel Wert auf die Apotheke, die jüngere dagegen kaufe eher online.

Aber nicht nur bei der Kundschaft, sondern auch seitens der Politik fehlt Grefen der nötige Zuspruch. „Wir finden wenig Beachtung und klar, wir haben uns auch nie groß beschwert, PTA haben nur leise über das niedrige Gehalt gesprochen und nie auf den Tisch gehauen.“ Irgendwann habe sich der Frust zu einer dauerhaften mentalen Belastung entwickelt. „Ich wurde psychisch krank, mein Beruf machte mir keinen Spaß mehr und ich bin ohne Freude zur Arbeit gegangen“, sagt Grefen.

PTA fehlt Wertschätzung

Die PTA reagierte und wechselte in die Industrie. Seit zwei Jahren ist sie für einen Pharmahersteller in der medizinischen-wissenschaftlichen Abteilung tätig. „Ich arbeite dort sehr gerne, bin weiter nah am Patienten, berate auch Ärzte und haben Anfragen von Apotheken.“ Dort bekomme sie viel Wertschätzung. Sie ist zufrieden.

Auch Inga Huth* kennt das Gefühl, nicht mehr zur Arbeit gehen zu wollen. Die 35-jährige PTA war 15 Jahre in verschiedenen Apotheken tätig. Auch ihr fehlte die Wertschätzung seitens der Kundschaft – sie findet, dass die Chefin oder der Chef mehr für ein gutes Arbeitsklima machen müsse, als einen Obstkorb für das Team bereitzustellen. Sie erlebte auch Mobbing im Team. „Ich konnte damit nicht umgehen und habe gemerkt, wie froh ich am Freitag war und dass ich am Sonntag mit Heulkrämpfen im Bett lag.“

Auch ein Wechsel der Apotheke bringe nicht immer eine Änderung. „Am Anfang fühlt man sich wohl, da werden einem als PTA ‚Milch und Honig‘ versprochen. Doch nach einem halben oder einem dreiviertel Jahr ist Wertschätzung Fehlanzeige.“ In ihrer letzten Apotheke sei das Team super gewesen. Sie war als Springer in drei Apotheken des Inhabers tätig. Ein Betrieb lag in einem Einkaufscenter und es sei schön gewesen, die Dankbarkeit der Menschen zu spüren, weil eine Apotheke länger als 18 Uhr offen hatte.

PTA mit psychischen Problemen

Doch wie bei Grefen spürte auch Huth in der Coronazeit eine Veränderung bei der Kundschaft: „Die Freundlichkeit ließ stark zu wünschen übrig. Schon 2019 war für mich ein schweres Jahr, ich war geistig und körperlich nicht mehr im Gleichgewicht. Ich habe beim Chef um Entlastung gebeten und wollte meine Stunden reduzieren.“ Als Antwort sei gekommen, sie solle Arzneimittel nehmen. „Da habe ich festgestellt, dass PTA ein undankbarer Beruf ist.“

Eine Panikattacke im August 2019 war der Auslöser, die Apotheke zu verlassen. Huth war lange krank und rappelte sich vor zwei Jahren wieder auf. Sie begann eine Umschulung zur Fachinformatikerin. „Ich wollte keinen Kontakt mehr mit Menschen. In der Apotheke hatten wir teilweise 300 bis 500 Kunden am Tag.“ Sie hätte sich gewünscht, dass ihre Vorgesetzten mehr hinter ihr gestanden hätten etwa bei Konflikten mit Kundinnen und Kunden.

Außerdem sei ein fairer Ausgleich zwischen Angestellten mit und ohne Kind wichtig. „Wenn Not am Mann war, wurde ich am Wochenende angerufen und nicht die Mütter. Wenn ich mal nicht ans Handy gegangen bin, wurde ich am Montag zurechtgewiesen.“ Die Chefinnen und Chefs müssten mehr Menschlichkeit und Empathie zeigen, sagt sie. „In meiner jetzigen Ausbildung fühle ich mich wohl, ich werde geregelte Arbeitszeiten haben und kann vorausplanen. Das war in der Apotheke nicht möglich.“

Auch Irina Meindl* ist langjährige PTA und vermisst in der Apotheke vor allem Innovationskraft. Die 39-Jährige spezialisierte sich auf Schwangerschaft- und Baby-sowie Kleinkindberatung und will die nebenberufliche Tätigkeit zur Haupteinnahmequelle machen. In der Apotheke gebe es zu viel Bürokratie und Prävention müsste seitens der Politik viel mehr gefördert und in der Apotheke angesiedelt werden, fordert sie.

Der Frust steigt jedes Jahr.

Ihr jetziger Chef investiere angesichts der angespannten politischen und finanziellen Lage nur wenig in neue Formate. „Ich kann alle verstehen, die raus aus der Apotheke gehen. Der Frust steigt jedes Jahr.“ Ein Wechsel in einen anderen Betrieb sei natürlich angesichts des Fachkräftemangels jederzeit möglich, aber ihre Kolleginnen und Kollegen seien super und der Fahrtweg kurz. „Da überlegt man es sich schon zweimal. Ich mache jetzt eine Existenzgründerinnenberatung und will es schaffen, nur noch auf Mini-Jobbasis in der Apotheke zu arbeiten.“

* Name von der Redaktion geändert

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