Kassel

Poker um PTA-Schule

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Berlin -

Das Drama um die PTA-Schule Kassel geht weiter: Vor einem Jahr stand die Schule bereits vor dem Aus, nachdem öffentliche Fördergelder weggefallen waren. Dann schien die Rettung in Sicht, weil die Bernd-Blindow-Schulen einspringen und die Schule übernehmen wollten. Doch in der Abstimmung mit den Behörden knirschte es, so dass im Sommer nach aktuellem Stand keine neuen PTA-Schüler aufgenommen werden.

Die Willy-Brandt-Schule ist die älteste PTA-Schule Deutschlands. Aktuell ist der Landkreis über die Arbeitsförderungsgesellschaft (AGiL) beteiligt, kann den Betrieb nach dem Wegfall der Fördergelder aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) aber nicht alleine stemmen. Im März 2014 beschloss der Kreisausschuss, die Defizite nicht mehr auszugleichen. Im vergangenen August wurde schon nur noch eine neue Klasse aufgenommen, statt wie bisher zwei.

Vor einem Jahr hatte die Blindow-Gruppe Interesse signalisiert, die PTA-Schule zu übernehmen. Diese sollte später in einen Neubau an der orthopädischen Klinik wenige Kilometer entfernt umziehen, wo die Blindow-Gruppe bereits die Rohrbach-Schule betreibt. In dem geplanten Neubau sollten neben Physio- und Ergotherapeuten künftig auch PTA ausgebildet werden. Avisiert war Anfang 2016, doch der neue Standort muss erst noch errichtet werden.

Nach den Plänen sollte die Blindow-Schule zunächst in den alten Räumlichkeiten der PTA-Schule unterkommen. Doch dazu kommt es nun doch nicht. Die Gruppe aus Bückeburg bei Hannover hat vom Regierungspräsidium Darmstadt (RP) bislang keine Genehmigung für den Betrieb erhalten. Der Behörde zufolge hat der Schulträger „bislang keine entscheidungsreifen Unterlagen“ vorgelegt. Bernd Blindow beschuldigt wiederum den Landkreis, sich nicht an die Abmachung zur Miete gehalten zu haben.

Beim RP heißt es, man habe die Blindow-Gruppe bereits im April angeschrieben und zur Übermittlung der Unterlagen aufgefordert. Es fehlten aber noch viele Dokumente. Unter anderem müssten noch gültige Arbeitsverträge mit den Lehrkräften vorgelegt werden. Die Behörde hat nach eigenen Angaben jetzt erneut bei Blindow nachgefragt. Bis die Unterlagen vollständig sind, könne der Antrag nicht geprüft werden.

Bernd Blindow schildert den Fall anders: „Der Landkreis hat uns den Mietvertrag nicht gegeben“, sagt der Seniorchef der Gruppe. Deshalb habe man sich nicht weiter um die Zulassung bemüht. Blindow wollte mit einem neuen Jahrgang starten, die aktuellen Schüler hätten vom alten Träger weitergeführt werden sollen. „Aber man wollte offenbar keine zwei Träger unter einem Dach. Damit war die Sache für uns geplatzt“, sagt Blindow.

Bei der Willy-Brandt-Schule ist man enttäuscht: Der Landkreis Kassel habe Blindow die kostenlose Nutzung der Räumlichkeiten angeboten, berichtet Schulleiter Reiner Heine. Die Gruppe hätte demnach nur 65.000 Euro jährlich für die Bewirtschaftung, Hausmeister- und Reinigungservices aufbringen müssen. Dafür hätte der Landkreis zusätzlich 30.000 Euro gezahlt, damit die aktuelle Klasse vom neuen Träger weitergeführt wird. Doch weil Blindow daran kein Interesse hatte, ist eine Weiterführung der Willy-Brandt-Schule damit wohl vom Tisch.

Etwa 30 Bewerber für das neue Schuljahr hatte Blindow nach eigenen Angaben schon. Diesen wurde jedoch Ende Juni mitgeteilt, dass die Klasse nicht zustande komme. Interessierte sollten sich an die Blindow-Standorte in Bückeburg oder Hannover wenden.

Ob Blindow in Kassel überhaupt noch PTA-Schüler ausbilden will, steht jetzt ebenfalls zur Diskussion. „Das kommt auf die Auflagen an, und dabei muss man auch an die Refinanzierung denken“. Ohne staatliche Zuschüsse, so seine Rechnung, müsste er ein Schulgeld von monatlich mindestens 370 Euro kassieren. Das sei für Schüler nicht zumutbar. Diese zahlen in Kassel zurzeit 196 Euro pro Monat, solche aus dem Landkreis 169 Euro.

Aktuell gibt es in Kassel noch 40 Schüler in zwei Klassen, 14 davon machen im Winter ihre Prüfung. Auf jeden Fall bis zum Abschluss gebracht wird noch der Jahrgang, der im vergangenen Sommer angefangen hat. Auch Schüler, die jetzt nicht zur Prüfung zugelassen wurden, dürfen ihre Ausbildung in Kassel beenden. Nach Plan sind im Sommer 2016 alle Schüler fertig, die Wiederholer spätestens im Sommer 2017. Der Landkreis gewährt für diese Ausbildungsverträge Vertrauensschutz.

Der Aufnahmestopp wirkt sich natürlich auch auf das Personal aus, insgesamt sechs hauptamtliche Beschäftigte, drei davon sind Apotheker. Sie haben zuletzt eine Garantie erhalten, dass sich am Beschäftigungsverhältnis bis Januar 2016 nichts ändert. Danach dürfte es Schulleiter Heine zufolge aber Kündigungen oder Änderungen bei den Verträgen geben.

In Hessen gibt es derzeit vier PTA-Schulen: Die Marburger Schule wird von der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) betrieben, hinter der Schule in Idstein steht der Konzern Fresenius. Die Frankfurter Schule wird von der Stiftung Collegium Pharmazeuticum getragen, bei der wiederum der Hessische Apothekerverband (HAV) engagiert ist.

Die Blindow-Gruppe bildet PTA an ihren Berufsschulen in Aalen, Baden-Baden, Berlin, Bonn, Friedrichshafen, Hannover, Heilbronn, Leipzig, Mannheim, Schwentinental und Bückeburg aus.

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