Kommentar

Poster oder Retax

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Berlin -

Apotheker haben häufiger den Eindruck, dass über ihren Kopf Entscheidungen getroffen werden, die sie nicht beeinflussen können. Besonders den Apothekern in Baden-Württemberg ist es wohl in letzter Zeit so ergangen: Erst werden sie bei Verträgen zur Impfstoffversorgung übergangen, dann gegeneinander ausgespielt und schließlich scheinen die Kassen den Gerichtsbeschluss, der für die Apotheker sprach, schlicht zu ignorieren.

Bereits im vergangenen Jahr hatten die AOK und die Ärzte in Baden-Württemberg beschlossen, auf Kosten der Apotheker zu sparen: Um Rabattverträge umzusetzen, sollten Ärzte Impfstoffe produktneutral verordnen – für den Mehraufwand werden sie natürlich entlohnt.

Die Apotheker erhielten hingegen lediglich ein Poster. Eine Vereinbarung mit Kassen und Ärzten auf Augenhöhe gab es nicht, genauso wenig wie eine Vergütung des Mehraufwands. Aber immerhin – das Poster. Das können sich die Apotheker hinhängen, um für jeden Arzt den richtigen Rabattimpfstoff heraus zu suchen.

Bei Fehlern drohen ihnen Retaxationen, oder Schlimmeres. Denn rein rechtlich verstößt der Apotheker sogar gegen das Gesetz, wenn er die produktneutrale Verordnung des Arztes korrekt beliefert: Das Rezept entspricht nicht den Vorgaben.

Viele Apotheker wählten den einzig sicheren Weg und schickten die Rezepte zur Berichtigung in die Arztpraxen zurück. Das kam dort allerdings nicht gut an, und der Streit wurde schmutzig: Ärzte und Kassen wollten die Apotheker gegeneinander ausspielen. Jeder Apotheker sollte sich positionieren und angeben, ob er produktneutrale Verordnungen beliefert. Die Liste sollte veröffentlicht werden.

Doch der Apothekerverband wehrte sich erfolgreich: Die Liste wurde gestoppt, und nun wurde vor Gericht ein erster Erfolg errungen. Die Richter haben entschieden, was alle Apotheker schon immer wussten und Kassen und Ärzte zu umgehen versuchten: Auf ein Rezept gehört der Name des Arzneimittels oder wenigstens der Wirkstoff und die Wirkstärke.

Doch während sich die Apotheker noch über die klare Aussage der Richter freuen, hat die AOK schon angekündigt, Rechtsmittel einzulegen. So nachvollziehbar der Wunsch nach Einsparungen ist, gibt es doch Grenzen: Eine davon ist das geltende Recht, auch wenn das die AOK derzeit noch nicht einzusehen scheint. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass der eine oder andere Richter die Kassen in nächster Zukunft aufklärt. Oder dass sich Apotheker, Kassen und Ärzte auf eine für alle sinnvolle Lösung einigen, statt weiter vor Gericht zu streiten.

Den Apothekern bleibt indes nur zu wünschen, dass sie sich von dem Gehabe der Kassen nicht abschrecken lassen und sich auch weiterhin wehren, wenn Grenzen überschritten werden. Damit künftig etwas weniger über ihre Köpfe hinweg entschieden wird.

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